Alles - außer der Kitsch-Vitrine: Ausblick auf die Landesausstellung über Bayerns Märchenkönig Ludwig II.

von Michael Grill

Einen neuen Blick auf den König versprechen die Ausstellungsmacher. Foto: Haus der Bayerischen Geschichte/Augsburg

„Der Kini“, also Ludwig II., der sogenannte Märchenkönig, gehört, zumindest als Mythos, zu den ganz großen Exportschlagern Bayerns. Umso erstaunlicher, dass es seit 1968 keine richtig große Ausstellung mehr über den Monarchen gegeben hat.

Doch der vor allem um sein Schloss Neuschwanstein herum platzierte Kini-Kitsch und der albern-verschwörerische Kult der bayerischen Neomonarchen und Verschwörungstheoretiker hat jahrzehntelang Wissenschaft und Kunst auf Abstand gehalten zu dem geheimnisvollen Mann, der am 13. Juni 1886 unter ungeklärten Umständen im Starnberger See zu Tode kam. Erst in der jüngeren Vergangenheit wurde über Ludwig II. vorbehaltlos geforscht, dunkle Ecken im Hausarchiv der Wittelsbacher durchlüftet, wissenschaftlich fundiert publiziert und sein Wirken und Leben auch unter dem Aspekt der Entwicklung der Moderne im 19. Jahrhundert neu gesehen.

So kommt der heurige 125. Todestag von Ludwig II. sehr passend, um den aktuellen Stand der Ludwig-Exegese zu präsentieren und zugleich den stets verlässlichen touristischen Kini-Boom weiter im Sinne des Freistaats zu befeuern. In rund 100 Tagen eröffnet das Haus der Bayerischen Geschichte gemeinsam mit der Bayerischen Schlösserverwaltung und dem Landkreis Rosenheim die Landesausstellung „Götterdämmerung. König Ludwig II.“ im Kini-Schloss Herrenchiemsee. Ein Ludwig-Jahr wirft sozusagen seine Schatten voraus, und es ist nicht allzu gewagt, hier eine der großen Ausstellungen des Jahres zu vermuten.

Eine von Ludwigs Visionen, virtuell realisiert: Die Seilbahn über den Alpsee. Foto: Prof. Dr. Gerd Hirzinger

Bei der Vor-Präsentation in München waren jedenfalls alle Beteiligten überaus bemüht, den Eindruck zu vermeiden, man würde doch noch der Versuchung erliegen, auf die weltweit so geschätzten Kini-Klischees setzen. Vom üblichen, also touristisch genutzten Ludwig-Bild werden die Ausstellungs-Macher „total abweichen“, erklärte Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP), trotzdem könnten die Besucher „großen Spaß“ mit der Ausstellung haben. Projektleiter Peter Wolf vom Haus der Bayerischen Geschichte versprach: „Das einzige, was wir nicht benutzen, ist die große Kitsch-Vitrine. Am Ende werden die Klischees aufgebrochen sein und man wird einen anderen Ludwig II. sehen.“

Ludwig steht nun nicht mehr nur für Traum- und Gegenwelten, sondern auch für die Förderung neuer Technik, für die Industrialisierung und eine Zivilisation, die sich endgültig vom Menschenbild des Mittelalters verabschiedet. Oder, wie es Projektleiter Wolf ausdrückte, für eine Zeit, in der der bayerische Dualismus des späten 20. Jahrhunderts, also Laptop und Lederhose, seinen Anfang nahm.

So wird man Ludwigs Leben durch 250 „Original-Exponate“ illustriert bekommen, von denen natürlich sehr viele „noch nie“, „fast nie“ oder „so gut wie nie“ öffentlich gezeigt worden sind. Man wird seine Bauvisionen und seine Theaterfantasien nachfühlen und seine (zum Teil verhängnisvollen) politischen Entscheidungen erklärt bekommen. Neue Medien spielen dabei eine zentrale Rolle, „was dem König sicher sehr gefallen hätte“, so Richard Loibl, der Chef des Hauses der Bayerischen Geschichte.

Ein Entwurf für die Ausstellung auf Herrenchiemsee. Copyright / Foto: "graficde’sign pürstinger"/Salzburg, Haus der Bayerischen Geschichte/Augsburg

Insbesondere auf die virtuellen Animationen von Gerd Hirzinger, dem Leiter des Instituts für Robotik und Mechatronik am Zentrum für Luft- und Raumfahrt darf man gespannt sein. Vor einigen Jahren hatte er erste Ergebnisse dieser Arbeiten in 3-D-Technik vorgestellt und dabei für einiges Aufsehen gesorgt. Für die Landesausstellung werden unter anderem angekündigt: neue virtuelle Blicke auf die von Ludwig geplante phantastische Seilbahn über den Alpsee, den ebenso nie gebauten Chinesischen Palast in den Alpen, und Schloss Falkenstein unweit von Neuschwanstein, für das immerhin schon eine Wasserleitung gelegt worden war, bevor dann mit dem König alle Pläne und Visionen in den sanften Wellen des Starnberger Sees verschwanden. So will man der Gestalt des Märchenkönigs nahe kommen, entzaubern will man ihn freilich nicht: Ausstellungs-Macher Loibl: „Aus dem Persönlichkeitsbild des Königs kann man nicht nur einen Aspekt herausgreifen. Und wer behauptet, er verstehe den Menschen Ludwig II., der irrt.“

Was die Besucherprognosen angeht, sind die Erwartungen äußerst hoch, denn die Landesausstellungen sind traditionell ein Publikumsrenner. Nach den jüngst aber etwas ernüchternden Ergebnissen bei der Schau „Bayern – Italien“ wollen sich die Verantwortlichen aber nicht öffentlich festlegen: „Wir wollen die Besucherzahlen von Herrenchiemsee steigern“, hieß es lediglich. In der aktuellen Jahresbilanz für 2010 des Bayerischen Finanzministeriums wurden auf der Insel 417660 Besucher registriert.

Und wo bleibt die übliche brandneue, spektakuläre, das monarchische Bayern in Aufruhr versetzende Theorie zu den Umständen des Todes von Ludwig II., die normalerweise den Autoren von Ludwig-Literatur die Auflage sichert? Selbst hier herrscht vornehme Bescheidenheit im Kreis der Ausstellungsmacher. Projektleiter Wolf: „Wir meinen, dass der König nach seiner Verhaftung das Leben unter Irrenwärtern vor sich sah. Deshalb war sein Tod im See wohl ein Unfall oder Selbstmord.“ Es scheint, als wäre Bayerns größter Mythos in den richtigen Händen gelandet.

Die Bayerische Landesausstellung 2011 wird eröffnet am 14. Mai und ist zu sehen bis zum 16. Oktober.

Zu Ludwig II. gibt es heuer eine Fülle weiterer Veranstaltungen und Angebote. Hier eine Auswahl:

Der Bayerische Rundfunk berichtet auf B2 live vom Eröffnungswochende am 14. Mai von 11.05 bis 12 Uhr; weitere Sendungen werden angekündigt unter www.bayern2.de/landesausstellung. Die Münchner Kammerspiele führen „Ludwig II.“ nach Luchino Visconti auf; Premiere am 3. März im Schauspielhaus. Stattreisen München veranstaltet Rundgänge unter dem Motto „Das verfluchte Nest: Ludwig II. und München“, der erste ist am 15. Mai; Details und weitere Termine unter www.stattreisen-muenchen.de.

Veröffentlicht am: 28.02.2011

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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