Oberclown! Zigeunerstadl! Das Festival Mörbisch in Österreich wird selbst zur Operette

von Volker Boser

Die Bühne, nicht nur für den "Zigeunerbaron". Foto: Lichtstark.com

Schwere Gewitter über dem Neusiedler See. Schon Wochen vor der Premiere war die heile Welt, die Noch-Intendant Harald Serafin (79) mit viel Mühen um sein Operettenfestival aufgebaut hatte, unsanft ins Wanken geraten. Bühnenbildner Rolf Langenfass, seit 18 Jahren für die spektakulären optischen Effekte in Mörbisch verantwortlich, hatte den Stein ins Rollen gebracht.

Der schwer erkrankte Ausstattungsleiter des Wiener Theaters in der Josefstadt fand die Zeit für eine Generalabrechnung gekommen: „Nach Jahren kontinuierlicher Arbeit ziehe ich mich enttäuscht und gekränkt zurück“, ließ er verkünden. Gerade den „Zigeunerbaron“ von Strauß dürfe man „nach den entsetzlichen Vorfällen“, die sich in jüngster Zeit im Burgenland gegen Sinti und Roma ereignet haben, nicht unreflektiert spielen.

Doch genau das und nichts anderes hatte Harald Serafin vor: „Es ist nicht in unserem Sinne, eine politische Tendenz durch eine moderne Regie hinein zu bringen. Wir spielen Operette.“ Und auch die Regisseurin Brigitte Fassbaender wollte sich ihren ersten Auftritt in Mörbisch nicht intellektuell versalzen lassen: „Ich glaube nicht, dass eine Operette für ein politisches Statement gedacht ist“, verkündete sie - wohl allzu voreilig. Denn dass der wie immer mitspielende Intendant keinem auch noch so gelungenen Regie-Einfall gestatten würde, ihm die Butter vom Brot zu nehmen, hätte sie eigentlich wissen müssen.

Langenfass beschreibt in diversen Zeitungsinterviews die Vorbereitungszeit ziemlich drastisch: „Brigitte Fassbaender und ich haben bald gemerkt, dass wir zwei Sancho Pansa sind. Die Frau Kammersängerin hatte erwartet, dass man ihre Regiearbeit realisiert. Sie war es nicht gewohnt, dass der Intendant dann daher kommt und sagt: Aber ich bin der Oberclown.“

Angesicht der offen ausgetragenen Attacke blieb dem Bühnenbildner nichts anderes übrig, als sich von der Produktion zurück zu ziehen – „aus Sorge, dass die Aufführung operettenhaft und verharmlosend die Roma- und Sinti-Problematik ignorieren könnte“. Natürlich zeigten sich, wie in solchen Fällen üblich, die Verantwortlichen betroffen, allen voran „Mister Wunderbar“ Harald Serafin: „Wir sind unglaublich traurig darüber, dass wir diesen Mann im 19. Jahr der Zusammenarbeit verlieren.“ Brigitte Fassbaender enthielt sich der Stimme.

Gerne hätte man gewusst, ob der Anlass die Aufregung lohnte. Doch zum ersten Mal in der Geschichte der Seefestspiele musste die Premiere wegen Sturm und Regen abgesagt werden. Eineinhalb Stunden hatten die Besucher gehofft, dass sich die Unwetterfront verziehen würde. Vergebens. Zurückgekehrt ins Trockene konnte, wer wollte, im ORF die aufgezeichnete Generalprobe erleben. Was dort zu sehen war, grau in grau, mit einem ständig durchs Bild hüpfenden Intendanten in der Rolle des Sittenkommissars Conte Carnero, stimmte wehmütig. Serafins Nachfolgerin Dagmar Schellenberger wird einiges ändern müssen, damit Mörbisch nicht endgültig zum Operetten-Musikantenstadl verkommt.

 

Seefestspiele Mörbisch, bis 28. August. Karten und Infos unter Telefon 0043/2682/66210-0 oder im Web bei www.seefestspiele-moerbisch.at

Veröffentlicht am: 18.07.2011

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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