"Ich wurde halt genommen...": Der Münchner Harfenist Christoph Bielefeld und das Schulternzucken eines Virtuosen

von Clara Fiedler

Karriere und Harfe mit Leichtigkeit geschultert: Christoph Bielefeld. Foto:Marcel Burkhardt

Er sitzt in einem breiten Ledersessel und erzählt, als würde er jeden Tag ein Interview geben. Er trägt Brille, Jeans und Turnschuhe, blondes, kurzes Haar, dazu ein souveränes, professionelles Auftreten und als Accessoire diese Art von Lässigkeit, die bei klassischen Musikern zu Unrecht mit Arroganz verwechselt wird. Das „Du“, das er gleich nach dem ersten Händedruck anbietet, ist offen und freundlich – auf geschäftlicher Ebene. Gelegentlich lehnt er sich zurück, die Hände über den Knien gefaltet.

Christoph Bielefeld ist Harfenist. Der ein- oder andere mag erwarten, dass seine Körpersprache am Instrument eine Andere ist. Aber in dem Moment, in dem er zu Spielen beginnt, verliert die Harfe ihre Assoziationen mit Engeln und Mädchen. In dem Moment wird sie einfach neutral und spricht die Sprache dessen, der sie mit einer liebevollen Selbstverständlichkeit einer langjährigen Partnerschaft bedient.

Diese Partnerschaft nahm ihren Anfang, als der damals siebenjährige Bielefeld seine Mutter, eine Flötistin, auf ein Konzert des „Jugend Musiziert“-Wettbewerbes begleitete. „Da habe ich zum ersten Mal eine Harfe gesehen“, erinnert er sich. „Und das sah so nett aus bei den Mädels dort.“ Der Geige, die seine erste Wahl gewesen war, frönte er mit immer weniger Enthusiasmus, er selbst sagt heute von sich, er habe dazu kein Talent gehabt. Die Begeisterung für die Harfe jedoch ließ ihn nicht mehr los. Als die Familie kurz darauf von München  an die Ostsee zog, erhielt er Unterricht, spielte bald erste Wettbewerbe. Überhaupt scheint er immer einer derjenigen gewesen zu sein, für die Konkurrenz kein Thema ist. „Dann hab’ ich halt vorgespielt und wurde halt genommen“ ist ein Satz, der recht häufig fällt, und das mit einer Selbstverständlichkeit, die einen neugierig macht. Seine spätere Professorin Helga Storck lernte er als 15-jähriger in Bonn kennen. „Da fühlte ich mich gefangen in der Musikwelt“, sind seine Worte zu allem, was danach kam. Bundesjugendorchester, Tourneen, rund um die Uhr Spielen, Proben, Üben, viel Kontakt zu andern Musikern. In ihm wuchs der Entschluss, das alles zu seinem Beruf zu machen.

Ein paar Jahre später machte er sein Diplom in München und konzertierte daraufhin in Deutschland, Polen und der Schweiz, vor allem im Rahmen eines Aufbaustudiums in Zürich. Eine Solo-CD erschien 2009 bei musicom.

Auf die Frage, was ihn bei der Interpretation eines Stückes interessiere, erzählt er nichts Neues: Alles, was in den Noten drinsteht.“ Es ist so gar nichts markantes in seiner Geschichte. Alles klingt nach der klassischen Laufbahn eines klassischen Musikers. Vielleicht ist er auch einfach nicht der große Selbstdarsteller. So zum Beispiel, wenn  er sagt:  „Ich hab’ peinlicherweise auch eine Homepage.“ All das denkt man, folgt ihm zu seiner Harfe, hört ihm zu, wenn er ein breites Wissen über die Geschichte seines Instrumentes auspackt, beobachtet, wie er sich, während er noch erzählt, einen Stuhl heranrückt, Ring und Uhr ablegt.

Kurz flackert es noch auf, dieses Paradoxon: Dieser profane und solide Typ an einer Harfe. Dann spielt er den „Zwergentanz“ von Henriette Renieé. Und das Bild, das sich unter diesen vertrauten Klängen zusammenfügt, mag ein Neues sein, erscheint aber so natürlich, als wäre es schon immer da gewesen. Er nimmt der Harfe das Klischee, ersetzt es durch seine kraftvolle und dennoch reflektierte Virtuosität und beweist mit unverändert offener Konzentration in den Gesichtszügen, dass so mancher Philosoph, der viel reden könnte sich für das Schweigen entscheidet und trotzdem einer bleibt.

Den Münchnern bleibt Christoph Bielefeld, der hier neben seiner Konzerttätigkeit als „Live Music Now“-Stipendiat auch viel in Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen spielte, leider nicht mehr lange erhalten. Er wird eine Stelle am Theater in Gera antreten, denn da hat er „halt vorgespielt“ und sie haben ihn „halt genommen“.

Veröffentlicht am: 04.09.2011

Über den Autor

Clara Fiedler

Redakteurin

Clara Fiedler ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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