Rudi Wach in der Whitebox: Hände, die keine sein wollen

von Achim Manthey

Rudi Wach, Die Hand des Neubeginns (Foto: Veranstalter)

In der Ausstellung "Immerwährende Wandlung" zeigt die Kunsthalle Whitebox in München zum ersten Mal in Deutschland Werke des Tiroler Bildhauers und Zeichners Rudi Wach.

Es ist schon eine kleine Sensation. In Italien und Österreich gekannt und gefeiert ist er hierzulande nur Insidern bekannt. Rudi Wach interessiert der Kunstbetrieb wenig. Abgeschieden, in fast mönchischer Klausur widmet er sich seinen künstlerischen Arbeiten.

Mächtig prägt die Skulptur "Die Hand des Neubeginns" den oberen Teil des Ausstellungsraums. Abgehackt von einem fiktiven Körper, dessen Existenz gleichwohl präsent scheint, die noch klaffende Wunde durch die rote Farbe offenbar, verselbständigt sich die Hand, läuft auf ihren goldenen Fingern davon, heraus aus einer Vergangenheit, die der Fantasie des Betrachters überlassen bleibt, hinein in eine Zukunft. Die Hand, dieses Symbol göttlicher wie menschlicher Schöpfungs- wie Schaffenskraft, ist wesentliches Thema der in der Ausstellung gezeigten Werke. Daneben sind es kreatürlich-mystische Gestalten, die faszinieren. Nicht Tier, nicht Mensch, nicht Zentaur. Und doch zutiefst menschlich schreien, ertrinken und stürzen sie.

Rudi Wach, Wächterfalke (Foto: Achim Manthey)

Rudi Wach wird 1934 in Hall in Tirol geboren und wächst in Thaur bei Innsbruck auf. An der Bundesgewerbeschule Innsbruck lernt er bei Hans Pontiller. 1955  geht er zum Studium nach Mailand, wo er bis heute überwiegend lebt und arbeitet. Die Freundschaften mit Alberto Giacometti und Mario Negri beeinflussen ihn. Mensch-Tier-Themen, aber auch christliche und mythologische Motive nehmen einen breiten Raum in seinem Werk ein. Seit den 1970er Jahren entwickelt er neben der Bildhauerei sein zeichnerisches Werk. Beide Ausdrucksformen korrespondieren eng miteinander. Im öffentlichen Raum sind seine Werke in Innsbruck zu sehen, wobei das bereits 1985 fertiggestellte Innbrücken-Kreuz, das den Gekreuzigten ohne Lendenschurz darstellt, gegen massive Widerstände der katholischen Kirche erst 2001 aufgestellt werden konnte und bis heute zu Protesten führt. 2001 hat er die U-Bahn-Station Museumsquartier mit Zeichnungen und Skulpturen bespielt und in jüngerer Zeit die "Kapelle des weißen Lichts" am Pitztaler Gletscher geschaffen.

Die Münchner Ausstellung zeigt rund 20 Skulpturen und 25 großflächige Zeichnungen. Als wäre sie lebendig kommt die sich immerwährend drehende Hand daher. Hände, die keine Hände mehr sein wollen, nie eine Hand waren, sich in eigene Torsos verwandeln, verdreht, verkrampft, verknotet und sich nicht mehr schließend. Ein Pferd sitzt, ein anderes verdreht sich auf den mit starkem Stift gezogenen Zeichnungen, deren Feinarbeit ein Radiergummi leistete. Es ist nicht statisch, was sich da vor dem Auge des Betrachters abspielt, sondern eine ununterbrochene Weiterentwicklung, die zu keinem Ende kommt. Anlehnungen an Bilder aus Urzeiten, an fremde Kulturen führen in ein Heute und Morgen, in sich stets ändernde, niemals aufhörende Wandlungen. Die Zeichnungen offenbaren ein gerütteltes Maß an Resignation, wie in "Ich erwarte dich (nimm mich)" oder "Ich stürze in den Morgen".

Rudi Wach selbst sieht den in der Ausstellung gezeigten Werkzyklus als einen Schlusspunkt seines bisherigen Schaffens und den Aufbruch in neue Gestaltungswelten. Auch er unterliegt, wie wir alle, der immerwährenden Wandlung.

Bis zum 27. November in der Whitebox, Grafinger Str. 6 in München, Do, Fr. 17-21 Uhr, Sa, So 15-20 Uhr

 

Veröffentlicht am: 11.11.2011

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