Kantate im Bildergottesdienst

von kulturvollzug

Foto: Company

Bilder, die auf andere Bilder weisen: Mit ihrer Performance "Am Bildaltar" legen Wilhelm Groener Spuren, die den Zuschauer mitunter ratlos lassen.

Von der Macht der Bilder wird allenthalben gesprochen. Entziehen kann man sich ihr kaum mehr: Die Bilderflut in den Nachrichten, überhaupt die Dauerberieselung durchs Fernsehen, Bilder an Reklamewänden, Bilder, die wir selber hundertfach produzieren: Eine Speicherkarte in einer Kamera ist eben allemal geduldiger als früher der Film. Von Bild hasten wir zu Bild, eine tiefere Bedeutung – wenn überhaupt - mehr erahnend als um sie wissend. Ein Bild und sein Kontext – wann hält man noch inne, um darüber nachzudenken? Wann nimmt man sich die Zeit herauszufinden, warum ein Bild etwas in uns auslöste? Schließlich ruhen tief in unserem Bewusstsein andere Bilder mit einem hohen Wiedererkennungswert. Wollen wir kapitulieren oder tiefer dringen?

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Einen „Bildaltar“ richtet das Performancegespann Wilhelm Groener (bestehend aus Mariola Groener und Günther Wilhelm) für Dance 2010 auf. Sein Opfer an diesem Altar: ein meditativ getragenes Bilderrätsel. Die erschlaffte Gestalt, die auf den Unterarmen einer anderen Gestalt ruht, deren Kopf trauernd gesenkt scheint: Woher kenne ich das gleich wieder? So fließt Bild in Bild, Kreuzesabnahmen, Grablegen, eine Pietà. Bilder der Trauer, aber auch der Freude, des Begehrens, der Zurückweisung. Am Ende eine Monet'sche Frühstücksszene.

Heilige Bilder, allesamt? Den Eindruck erwecken Wilhelm Groener. Der Chor aus der Bach-Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ perlt als Gitarreninstrumental aus den Lautsprecherboxen und teilt die Akte. Ansonsten ist die Musik spärlich: Konzepttönerei, eher wie ein Hintergrundrauschen. So hört man jeden Schritt auf der Bühne des i camp-Theaters, jedes Knarzen der Bohlen, wenn die Dreiergruppe sich neu formiert, stützt, bettet, auf den Boden gleiten lässt. Man starrt, erkennt das eine oder andere und siehe: Es geht ein Bild hinein und fängt im Herzen an zu sein. Das ist freilich nicht in jedem Augenblick fesselnd, sondern fordert Anstrengung und Willen zur Aufmerksamkeit. So wird diese meditative, fordernde Performance in ihrer in sich ruhenden Kargheit zur Antwort auf die Bilderflut.

Jan Stöpel

"Am Bildaltar" ist am heutigen Mittwoch, 3. November, um 20 Uhr am i-camp an der Entenbachstraße nochmals zu sehen.

Veröffentlicht am: 03.11.2010

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