Der Einhorn-Flüsterer: André Heller präsentiert in Wien seine im nächsten Jahr anlaufende Show „Magnifico“ - es ist ein Neuanfang nach dem Welterfolg von „Afrika! Afrika!“

von Michael Grill

Der Mittelpunkt der Show. Foto: www.peterrigaud.com

Es riecht etwas streng nach Räucherstäbchen in dem prunkvollen Palais in der Wiener Renngasse im 1.Bezirk. Die Räume sind bis zu sechs Meter hoch. Auf dem Tisch wölbt sich der Bugsteven eines Fischerbootes aus dem Indischen Ozean, vor einem Spiegel steht ein Grabwächter aus Indonesien, an der Wand hängen ein Ölbild von Georges Braque und ein Scherenschnitt von David Hockney. Ein Palast der Phanstasie, über und über voll mit Kunst und Erinnerungsstücken. Der Hausherr sitzt auf einem weißen Kanapee, trägt buntes Halstuch, schwarzes Jackett und Lederhose, die steingrauen Schneckerl-Locken liegen auf dem Kopf wie für eine antike Büste gemeißelt. „Es sind schöne Räume, die einen auch beschützen“, sagt André Heller. Er will über seine neue Show sprechen, die erste große seit dem Welterfolg „Afrika! Afrika!“ von 2005, und dafür öffnet er diesmal sogar die Tür zu seinen Privatgemächern.

„Magnifico“ heißt das neue, bunte Wunderding des österreichischen Künstlers und Impresarios, der seine Werke „Verwirklichungen“ nennt. Heller wirkt, als müsse er sich vorsorglich rechtfertigen, auch wenn er das nicht zugibt. Aber er sagt: „Man darf nicht denken, Magnifico sei nur eine Pferde-Show. Es ist eine Show mit Pferden.“ Sie wird im Februar in München Premiere haben, dann auf Tour gehen. Die Zeiten sind hart für große Familien-Events mit künstlerischem Anspruch: Die letzten, die es wagten – Franz Abraham mit „Ben Hur“ und Matthias Hoffmann mit „India“ - gingen nach hoffnungsvollem Start in kürzester Zeit pleite. „In meinem Alter muss man ganz genau nachdenken, was man als nächstes tut“, sagt der 63 Jahre alte Heller, und fügt an: „Man sollte nichts machen, was keine Liebesgeschichte ist.“ Dann fängt er zu erzählen an, immer wieder unterbrochen von dem beschwörenden Satz: „Bitte glauben Sie mir!“

Daheim, in beschützenden Räumen: André Heller. Foto: Michael Grill

Vor einem dreiviertel Jahr sei sein alter Freund, der Veranstalter Marcel Avram, zu ihm gekommen mit der Idee, „etwas mit Pferden“ zu machen, so Heller. Er habe aber zunächst weder einen Sinn darin gesehen noch einen Zugang zu dem Thema gefunden. Doch dann sei er in Erinnerungen aus seiner Kindheit eingetaucht: „Ich war ein Angstkind. Der einzige Ort, wo ich meine Angst zugeben durfte, war bei meiner Großmutter, die wir Pieps nannten wegen ihrer hohen Stimme. Und als ich vor dem Einschlafen wieder Angst hatte, deutete Pieps auf ein Bild mit einem Einhorn und sagte: ,Schau! Das passt auf Dich auf und bringt gute Träume.'“ Bis zu seinem achten Lebensjahr sei Magnifico, das Einhorn, sein wichtigster Bezugspunkt gewesen, ein Beschützer gegen die Angst, so Heller. „Bitte glauben Sie mir.“ Und so hatte der Show-Mann von heute plötzlich „einen samtenen Haken, an dem ich hing“: das Pferd als Begleiter, Gefährte, Traumwesen und Sehnsuchtsbild.

Ortswechsel in die Messehallen von Tulln, einer Kleinstadt auf dem grauen Rübenland vor den Toren Wiens. Im abgehängten Halbdunkel spricht man Englisch und Österreichisch. Eine Art Prinzessin auf Rädern mit Pferdekopf fährt vorbei, Lipizzaner galoppieren im Kreis. André Heller geht auf eine improvisierte Bühne. Er wird jetzt „Magnifico“ vorstellen, denn hier laufen gerade die Proben zur Show, deren Plakat nun das sich aufbäumende Einhorn zeigt. Doch was Heller eigentlich macht, ist eine Liebeserklärung an die die Kunst – und das Leben.

Im Kreise seiner Lieben. Foto: Magnifico

Die Fakten: Für die Produktion wird extra ein eigenes Zelt mit 2500 Plätzen konstruiert. Im Team ist der frühere ZDF-Unterhaltungschef Victor Worms, der Erfahrung im Umgang mit Pferden von der Show „Apassionata“ mitbringt. Der Tierschutz soll immer oberste Priorität haben, verspricht Heller: „Wir machen nichts Gefährliches. Mit Copperfield-Technik könnten wir ein Pferd auch fliegen lassen. Ich bin mir aber sicher, dass das Pferd lieber auf dem Boden ist, deshalb lassen wir es da.“ Zu sehen gebe es Geschichten wie diese: „Zentauren bewegen sich über die Bühne, plötzlich kommen Hiphopper dazu - und die Zentauren lernen von ihnen den Moonwalk.“ „Magnifico“ werde Unterhaltung für die ganze Familie sein, so Heller: „Ein Spiel, aber deshalb noch lange nicht sinnlos.“ Ihm gefalle grundsätzlich das Kaleidoskopische, Durchbrochene besser als eine zwanghaft von einer übergreifenden Story zusammengehaltene Show. Vom Seepferdchen bis zu Pegasus habe man alles dabei, was die Pferdemythen hergeben.

„Bitte glauben Sie mir“, sagt der Einhorn-Flüsterer abermals, „es ist keine Pferde-Show“. Das Pferd ist für ihn eine Projektionsfläche auf der Suche nach Menschlichkeit, er wagt sich dabei weit ins Sentiment und lässt esoterische Anflüge zu. Und er betont seine eigene Geschichte: „Früher war ich ein rabiater Jongleur mit Gefühlen. Alle, die mich als arabeskenverliebten Schnösel hinstellten, hatten Recht. Aber ich habe das in den Griff bekommen, heute lebe ich viel zufriedener.“ Er wisse nun: „Wir sind hier, um uns lernend zu verwandeln.“ Ein Heller-Satz, völlig ungeschützt, ergreifend und etwas peinlich zugleich. Er zeigt den eigentlichen Hintergrund, vor dem sich das Einhorn Magnifico nun aufbäumt. Dann gibt es noch einen Fototermin in den dunklen Hallen von Tulln. Fabelwesen rollen und trippeln herbei, nehmen Heller in die Mitte. Und selbst die ungeduldigen Fotografen, die das Heller-Pathos eben noch stirnrunzelnd über sich ergehen ließen, fangen an zu lächeln.

Auf Tour: München (9.2. bis 13.3.), Hamburg (6.4. bis 8.5.), Düsseldorf (25.5. bis 26.6.), Zürich (31.8.. bis 4.9.) Frankfurt (7.9. bis 9.10.). Informationen unter www.magnifico-show.com.

Veröffentlicht am: 25.11.2010

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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