"Sommernachtstraum" im Residenztheater
Gewaltbereit und schneller Zugriff - nach einer Viertelstunde hat man's begriffen
Wir wissen das schon lange: Shakespeares Komödien sind nicht heiter. Wenn ihr vergiftetes Happy End Liebende mit dem Objekt ihrer Begierde ehelich verschweißt, ist das die schlimmste Strafe. Denn die Illusion der Liebe ist längst betrogen, verraten und verkauft. Der hochgehandelte Regisseur Michael Thalheimer führt das bei seiner ersten Münchner Inszenierung am Residenztheater nochmal drastisch vor.
Er treibt dem "Sommernachtstraum" rigoros alles Komödiantische aus und inszeniert die Tragödien von vier Paaren - blutig, nackt und animalisch grausam.
Bei der Premiere blieben nach der Pause reichlich Plätze frei, am Ende überwogen die Buhs die Bravos. Liebe ist Gewalt und Krieg. Niemand geht da ohne blutige Wunden raus. Da stürzt sich der Athenerfürst Theseus (Götz Schulte) auf seine erbeutete Braut Hippolyta, und die wunderbare Sibylle Canonica entfesselt ihren Furor, den sie später unter Dauer-Vergrämtheit begraben muss. Vielleicht sind die beiden in ihren Doppelrollen auch schon das Elfenpaar Oberon und Titania in seinem Rosenkrieg. Diese Realitätsebenen will Thalheimer vermischen, was ihm nicht gelingt. Wer das Stück kennt, weiß es, wer nicht, bleibt ratlos.
Die Gewaltbereitschaft zieht sich durch die ganze Inszenierung. Die beiden Liebespaare schleppen sich gebückt durch die Baumstamm-Doppelreihe (großartig: Olaf Altmanns Bühnenbild), der Begehrende klebt dem Liebenden am Hintern. Liebe ist einfach nur Last. Und im Verlauf der falsch gepolten Beziehungen verschütten alle dann heftig ihr Herz-Theaterblut. Netterweise verschütten sie nicht gleichermaßen nach vielem Onanieren ihr Sperma.
Wer wen liebt, ist in dieser Inszenierung völlig egal. Die erst begehrte und dann verschmähte Hermia (Andrea Wenzl) oder die erst verschmähte und dann begehrte Helena (Britta Hammelstein) sind sich im Outfit zum Verwechseln ähnlich, und die Männer (Michele Cuciuffo als Lysander und Norman Hacker als Demetrius, der am Ende noch den Spastiker geben muss) kann man in ihrer Nacktheit (in Socken) auch kaum noch unterscheiden. Man schreit und kreischt um die Wette, schlägt und prügelt - das Bühnenblut muss ja irgendwie gerechtfertigt werden.
Thalheimer zeigt Sexualität wie auf Youporn - schnell und direkt im Zugriff. Nach einer Viertelstunde hat man's begriffen. Und dann wiederholt es sich nur noch. Alle Figuren sind hysterisch übersteigert und exaltiert gewalttätig. Inspiriert von Shakespeares Tiermetaphern hecheln und züngeln sie, erniedrigen sich wie Hunde. Da müssen die Männer bei der Verfolgung der Weiber auch die Hosen runterlassen und am Ende blutverschmiert rumstehen. Nur nutzen sich diese Bilder schnell ab, die beabsichtigte Provokation läuft in die Leere der Langeweile.
Zwei Schauspielern sieht man gern zu: Oliver Nägeles beleibter Puck ist ein hinreißender Sadist, und René Dumont als verklemmt- bürokratischem Handwerker Squenz hätte man das Schlusswort gönnen sollen. Denn das völlig ins Groteske übersteigerte Theaterspiel der Handwerker danach wirkt hier nur noch angepappt und überflüssig. Für Kusejs erstes Intendantenjahr am Resi ist das nach schwachem Auftakt und viel Mittelmaß auch kein glamouröser Abschluss.
Nächste Vorstellungen am 27., 30. Juni, 3. Juli 2012, jeweils 19.30 Uhr, Tel. 089/2185 1940, www.residenztheater.de
Anmerkung der Redaktion (gr., 21.6.12, 11.25 Uhr): Nach einem Leserhinweis wurde die Anfangszeit im Servicehinweis korrigiert. Vielen Dank!