Malerei von Kim Reuter bei Wittenbrink

Das Licht der Natur einfangen

von Achim Manthey

Ohne Titel, 2012, Eitempera auf Leinwand (Bild: Kim Reuter, courtesy Galerie Wittenbrink)

Die Ausstellung "Stilles Licht" der Galerie Wittenbrink in München zeigt neue Arbeiten der Malerin Kim Reuter. Mit der Darstellung von Sehnsucht und intimer Stille schrammen sie knapp an der Schwelle zum Belanglosen vorbei.

Das Mädchen in Blau sitzt auf einer Mauer, die Arme um die angezogenen Knie verschränkt, und blickt auf den See. Die frühe Sonne wirft ihre helle Bahn auf die leicht sich kräuselnde Wasseroberfläche, das gegenüber liegende Ufer erscheint diffus im Nebel. Erst beim Nähertreten, auf den zweiten Blick wird erkennbar, dass es sich hier nicht um eine Fotografie, sondern um Malerei handelt. Es ist ein großformatiges Sehnsuchtsbild, auf dem Versunkenheit in die eigene Privatheit, Träumerei, eine kurze Abkehr von der realen Welt ausgedrückt wird.

Kim Reuter malt fotografisch, ohne in den Fotorealismus hinein zu geraten. Ihre Sujets sind klassisch: Portraits, Landschaften, Interieurs und Stillleben. Wasserflächen mit ihren vielschichtigen, nur scheinbar wechselnden Farbschattierungen und Reflektionen finden sich in ihrem Werk immer wieder. Sie sucht nach den "richtigen" Farben, die sie aus einer Mixtur von frischen Bestandteilen und ausgewählten Farbpigmenten zu Eitempera, einer Emulsion, herstellt, die anders als Ölfarbe schnell in den Malgrund einzieht und daher schnelles und präzieses Arbeiten erfordert. Nachträgliche Korrekturen sind kaum möglich.

Ohne Titel (Wald), 2012, Eitempera auf Leinwand (Bild: Kim Reuter, courtesy Galerie Wittenbrink)

Die Künstlerin, 1971 in England geboren, studierte zunächst Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie in Bonn, anschließend Freie Kunst an der Düsseldorfer Akademie. Ein Arbeitsstipendium der Stiftung Kulturfond schloss sich an. Für ihr Wohn- und Atelierhaus, das sie gemeinsam mit ihrem Mann Detlef Reuter entworfen hatte,  gab es 2003 einen Preis für "Vorbildliches Bauen im ländlichen Raum". Kim Reuter lebt und arbeitet in der Eifel.

Große Flächen, deren Farbigkeit sie genau untersucht und mit einer Vielzahl harmonisierender Farbnuancen versieht, kennzeichnen ihr Werk. Das hat fast schon impressionistischen Charakter. Die dargestellten Personen sind meist anonymisiert, werden nur von hinten oder mit vom Betrachter abgewandten Gesicht gezeigt. Oft sind es Familienmitglieder, was die Nähe von Künstlerin und Modell erklärt, die von den Bildern ausgeht. Und doch sind es keine Familienbilder im biedermeierlichen Sinne, des es fehlt den Arbeiten das betuliche, das spießige Element.

Kim Reuter stellt das Licht einer fast intimen Stille dar. Ihr See ist See mit seinem Blau, Weiß und Grau in all seinen Schattierungen. Ihr Wald ist Wald mit seinem Nuancenreichtum an Grün- und Brauntönen. Die Sujets, die sie für sich gewählt hat, bergen die Gefahr, ins Gefällige, Belanglose abzugleiten. Diese Grenze überschreitet die Künstlerin indes nicht. Sie stellt ihre Geschichten auf eine moderne, eigene Weise jenseits der "neuen Bürgerlichkeit", von der so oft die Rede ist, dar. Und sie entdeckt auf ihre Weise die Langsamkeit neu.

Bis zum 15. Januar 2013 in der Galerie Wittenbrink, Türkenstraße 16 in München, Di-Sa 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Eintritt frei.

Veröffentlicht am: 08.01.2013

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