Zum Auftakt der Ballettfestwoche 2014

Ewig leben als tanzender Kreisel im Licht

von Isabel Winklbauer

Kandinskys Formen fliegen im "Gelben Klang". Foto: W. Hösl

Dass gute Bühnenkunst so einfach sein kann! Russel Maliphant bezauberte die Münchner bei der Eröffnung der Ballettfestwoche mit einem Jahrtausende alten Motiv, dem Kreis. Das Titelstück des Abends, "Der gelbe Klang", wurde dagegen ausgebuht. Auch museales Ballett muss Grenzen haben.

"Der gelbe Klang": Peter Jolesch flüchtet. Foto: W. Hösl

Tänzer tragen menschliche Formen, Gegenstände und beschriebene Wände herum, Charakterdarsteller Peter Jolesch hält minutenlang eine Pappform, ein Riesenbaby stellt expressionistische Fragen. Damit ist alles gesagt über Michael Simons Stück, das er nach einer Bühnenkomposition Wassily Kandinskys von 1912 erfand. Sehr hübsch gleicht die Bühne einem lebendig gewordenen Kandinsky-Gemälde. Doch das reicht nicht.

Simon, ursprünglich Bühnenbildner und kein Tänzer, kam schon vor Jahren mit "In the country of last things" in München nicht gut an - jetzt hat sich die Lage verschlechtert. Tänzerisch unterforderte er das Corps de Ballet auf kränkende Weise. Was soll man zu gegenläufigen Seitgalopps als Höhepunkt sagen? Darüber hinaus sind die Motive aus "Der gelbe Klang" schauerlich überholt. Sollte Kandinskys Idee überhaupt je als Vorlage für ein reales Stück gedacht gewesen sein, so ist es jetzt hinfällig. Die kindische Seite des Expressionismus, die hier aufgeplustert wird, ist seit 80 Jahren ausdiskutiert. Zum Glück rettete Dirigent Myron Romanul die 30 Minuten, indem er das Staatsorchester zu einer rauschenden, geradezu dreidimensionalen Interpretation von Frank Zappas Werken für klassische Orchester inspirierte. Danke!

"Spiral Pass": Vier Herren wirbeln Lucia Lacarra herum. Foto: W. Hösl

Wie viel erquicklicher ist da Russel Maliphants "Spiral Pass". Diesmal wählte der Brite, der für seine Tanz-Licht-Kompositionen berühmt ist, den Kreis als Grundmotiv. Etwas Besseres hätte er nicht tun können. Lucia Lacarra und Marlon Dino wanden sich zu den sphärischen Klängen von Mukul Patel umeinander wie gleißende Federn. Nie sah man zwischen den beiden so viel Emotion! Die Lichtspots über den insgesamt vier Paaren und vier Männern bleiben simpel. Mal haben sie die Konsistenz von undurchdringlichem Nebel, mal leuchteten sie scharf wie Metalldrähte. Darunter wirbeln die Herren die Damen in Todesspiralen herum, und Karen Azatyan geht als Breakdancer in einer neuen, unendlich währenden Existenz als Kreisel auf, so lange bis der Spot verblasst. Auch wie die Protagonisten ins tiefe Dunkel der hinteren Bühne verschwinden und an anderer Stelle neu auftauchen ist spektakulär. "So muss es sein", bekräftigten die, die zuvor lautstark Simon ausgebuht hatten.

Lukas Slawicky und Katerina Markowskaja. Foto: W. Hösl

Aszure Bartons "Konzert für Violine und Orchester" versöhnte zuletzt als liebevolles, optimistisches Wintermärchen. Vor eleganter Schneeflockenkulisse zeigten die wunderbar leichte Katerina Markowskaja und der ritterliche Lukas Slawicky, dass München mit ihnen ein neues Traumpaar hat. Ihre fröhlichen Pas de Deux zitieren so manchen Klassiker, darunter auch Ashtons Frühlingsstimmenwalzer, mit dem die zwei auf der Bühne des Nationaltheaters zusammen fanden - einfach schön. Die Ensembleszenen durchsetzt Barton mit kleinen, fließenden Bewegungen, die in der Gruppe große Wirkung entfalten. Fünf Arme heben sich zum Allongé, vier Tänzer sinken ins Plié, der Rest steht still - und die Welt verändert sich.

Zum Guten! Auch das muss sein.

Veröffentlicht am: 08.04.2014

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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