"Arabella" von Richard Strauss bei den Salzburger Osterfestspielen

Mankos und Missverständnisse im Preußentakt

von Volker Boser

Schlussapplaus Arabella. Foto: Matthias Creutzinger

Christian Thielemann sah das Ganze pragmatisch: „Renée Fleming und ich hatten einen alten Wunsch, irgendwann die „Arabella“ zu machen. Jetzt hatte sie Zeit, der Strauss-Geburtstag steht bevor, und mit Thomas Hampson konnten wir für sie den perfekten Bühnenpartner finden.“ Gesagt, getan. Mit „Arabella“ von Richard Strauss die Salzburger Osterfestspiele zu eröffnen, ergab schließlich auch Sinn. Dass sich die Zustimmung des Publikums in Grenzen hielt, hatte seine Gründe. Für die Inszenierung von Florentine Klepper gab es Buh, was insoweit überraschte, da Regie eigentlich nicht stattfand.

Um die riesige Bühne des Großen Festspielhauses zu füllen, hatte Martina Segna mehrere Räume auf einem fahrbaren Bühnenwagen aneinandergereiht. Die Handlung wurde in die Zeit um 1910 verlegt, damit sie verständlich bleibt: Arabella wird von ihrem Vater an einen reichen Verehrer verkauft. Ihre Schwester Zdenka muss als Junge auftreten, weil sich die Familie keine Mädchenkleider leisten kann.

Ob Kolportage oder, wie vom Komponisten angedeutet, Operette: Die Regisseurin drückte sich. Die Sänger agierten nicht miteinander, sondern nebeneinander. Die hell ausgeleuchteten Cinemascope-Distanzen der Bühne offenbarten bei nahezu allen Protagonisten ein gefährliches Manko an singschauspielerischer Präsenz. Der Blick zum Dirigenten war erstes und zumeist auch einziges Anliegen.

Renée Fleming in der Titelpartie  und Thomas Hampson als Mandryka – das mag einmal ein perfektes „Arabella“-Team gewesen sein. Jetzt aber mutete der Auftritt der beiden wie ein Veteranentreffen an. Der Sängerin ist vor allem in der einst so verführerischen Mittellage eine Menge an stimmlichem Glanz abhanden gekommen. Vorsichtig tastete sie sich durch die Noten. Eine Dame, die sich stets unter Kontrolle hat – vornehm, aber auch ein wenig langweilig.

Bei Thomas Hampson war Daumen drücken vonnöten:  Den dramatischen Momenten fehlten Kraft und Ausdruck. Die ruhigen Legato-Linien wurden mit der Zurückhaltung eines Liedersängers bewältigt.

Den größten Beifall bekam Hanna-Elisabeth Müller, als Zdenka virtuos und vor allem glaubhaft. Auch der helle, kraftvolle Tenor von Daniel Behle (Matteo) konnte überzeugen. Bravourös Daniela Fallys Fiakermilli, souverän Albert Dohmen und Gabriela Benacková als Elternpaar.

Und Christian Thielemann? - Strauss mochte im Sinn gehabt haben, mit einer kammermusikalisch aufgefächerten, leichten Musik die Morbidezza einer Wiener Fin-de-siècle-Schickeria zu charakterisieren. Die Sächsische Staatskapelle polterte dagegen, von ihrem Chef akribisch befeuert, preußisch unangenehm korrekt und laut durch den Dreivierteltakt. Ein böses Missverständnis.

Veröffentlicht am: 18.04.2014

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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