Er weist den Weg: Pianist Menahem Pressler im Herkulessaal mit dem Quartett "Quatuor Ebène"

von Volker Boser

Menahem Pressler gehört zu den großen Pianisten der Gegenwart, seit mehr als fünfzig Jahren ist er mittlerweile unterwegs auf den Bühnen der Welt. Noch lange nicht so erfolgreich, aber trotzdem schon international etabliert, ist das französische Quartett "Quatuor Ebène". Wie diese Kombination funktioniert, durften wir im Herkulessaal der Residenz erleben.

Die Komplimente, mit denen er vor der Zugabe, dem langsamen Satz aus dem Klavierquintett von Brahms, seine Kollegen bedachte, waren mit selbstironischem Augenzwinkern serviert: „Mit diesen wunderbaren Musikern spielen zu dürfen, hat mich fast eine Woche jünger gemacht.“

Eine Woche? Im Dezember wird Pianist Menahem Pressler 88 Jahre alt. Auf dem Podium des Herkulessaals war davon nichts zu spüren. Mit dem gleichen wachen Elan, wie wir ihn aus vielen herrlichen Kammermusikabenden mit dem von ihm gegründeten Beaux Arts Trio kennen, assistierte er dem Quatuor Ébène bei Schumann (Klavierquartett Op. 47) und Dvorak (Klavierquintett Op. 81). Traumwandlerisch sicher wies er den jungen französischen Streichern den Weg. Über den man gelegentlich auch streiten konnte: der langsame Schumann-Satz schrammte gefährlich an den Klippen zum Kitsch vorbei. Geiger Pierre Colombet und Cellist Raphael Merlin übten sich in der hohen Kunst klanglicher Trapezakte und suchten immer wieder der rhythmischen Struktur zu entkommen.

Darunter litt vor allem das einleitende d-Moll-Quartett KV 421 von Mozart. Eine Fülle perfekt inszenierter Farbspiele ersetzte Natürlichkeit. Hier scheint sich beim Quatuor Ébène ein echtes Problem anzukündigen: weniger wäre mehr – nicht jede Musik muss mit Samthandschuhen angefasst werden. Manchmal darf man auch ganz kräftig zupacken.

Veröffentlicht am: 25.02.2011

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

Weitere Artikel von Volker Boser:
Andere Artikel aus der Kategorie
Gerd Franke
25.02.2011 18:28 Uhr

Ich gratuliere zu dieser ehrlichen Kritik, die sich wohltuend von der Hymnik in der SZ unterscheidet. Tatsächlich ist die Neigung zur "Fülle inszenierter Farbspiele" beim Ebene-Quartett ein Zug, der sie von Anfang ihres öffentlichen Auftretens an begleitet und der ihre Stärke, aber auch ihre Gefährdung ausmacht. Und dass die Schumann-Interpretation dieses Abends nicht epochemachend war, hätte man bei allem Respekt vor dem doch recht rasch zusammengetretenen Ensemble auch in der SZ sagen können. Bei jüngeren Ensembles, die da oft sehr viel Aufregenderes bieten, ist man weit kritischer.