„München wird verkannt“: Klangfest-Chefin Petra Deka über das Musik-Festival

von Michael Grill

Les Babacools. Foto: Klangfest

Am Pfingstsamstag findet im Gasteig das Klangfest statt: 32 regionale Bands spielen auf vier Bühnen bei freiem Eintritt. Bei der Premiere im vergangenen Jahr war das Konzept ein riesiger Erfolg – 10000 Besucher hatten den Gasteig regelrecht gestürmt. Das Fest soll eine Art Schaufenster der hiesigen Musikszene sein – und Münchner Musiker auf große Bühnen bringen.

Petra Deka. Foto: privat

Michael Grill sprach mit Petra Deka. Die 41-jährige Musikmanagerin kommt ursprünglich aus dem Live-Musik-Bereich und arbeitet seit1999 für das Jazz-Label ACT; seit zwei Jahren als General Managerin. Beim Klangfest ist die gebürtige Weilheimerin Projektleiterin.

 

Kulturvollzug: Frau Deka, es gibt mittlerweile in München einige Auftrittsmöglichkeiten auch für hiesige Bands und Musiker. Wozu braucht es ein Klangfest im Gasteig?

 

Petra Deka: Im Gasteig sind wir vor allem deshalb, weil dort mehrere Bühnen gleichzeitig bespielt werden können, die regionale Szene ist schließlich richtig groß. Es war der Wunsch der Stadt, dass genreübergreifend noch mehr getan wird für diese Szene. Das unterscheidet das Klangfest von Einzelveranstaltungen: Wir versuchen, die ganze Vielfalt zu zeigen.

 

Auch im Theatron im Olympiapark spielen Bands unterschiedlichster Stilrichtungen. Wie ergänzt sich das?

 

Indem wir einen anderen Ansatz haben: Wir zeigen keine ganzen Konzerte, die Künstler stellen sich mit zirka 30minütigen Auftritten einem breiten Publikum vor. Außerdem präsentieren wir neben den Künstlern auch die einheimischen Musikfirmen. So etwas ginge auf einem Festival wie im Theatron ja gar nicht.

 

Sie veranstalten eine Podiumsdiskussion unter dem Motto: „Ist Musik überhaupt noch sexy?“ Steht das in Frage?

 

Franziska Marr. Foto: Klangfest

Die Frage stellt sich, weil immer mehr - vor allem junge - Menschen den Anspruch haben, Musik kostenlos zu bekommen. Oft gibt es keinerlei Einsicht mehr, warum man für Musik noch etwas zahlen soll, wo man sie doch ständig umsonst um sich hat. Dass hinter den Songs Künstler stehen, die ihn erarbeiten und von ihm leben müssen – das muss dringend thematisiert werden.

 

Betrifft das nicht vor allem internationale Chart-Musiker von Madonna bis Metallica - und weniger die Region?

 

Nicht ganz. Gerade ein regionaler Künstler braucht jeden Cent, den er mit seiner Musik verdienen kann. Viele können von ihrer Kunst nicht leben, müssen nebenbei unterrichten oder andere Nebenjobs haben. Es geht um eine grundsätzliche Erziehung der Musikhörer: Sie müssen verstehen, dass Musik ihren Wert hat. Egal, ob von Madonna oder von einem kleinen bayerischen Act.

 

Das Wort Erziehung klingt nun überhaupt nicht sexy...

 

Ok, das gebe ich zu.

 

Sie wollen aber Aufklärung über die Rolle von Musik in der Gesellschaft erreichen?

 

Auch das ist uns wichtig. Und bei uns diskutieren die unterschiedlichsten Leute – Musiker, aber auch Vertreter von digitalem Vertrieb oder von Streaming-Techniken. Wir legen großen Wert darauf, dabei keinen verstaubten Ansatz zu haben, sondern auf der Basis der Realität von heute zu diskutieren.

 

Stimmt es, dass von der Download-Problematik die großen Majors der Musikindustrie viel härter getroffen werden als die regionale Musikkultur?

 

In der Tat spielt sich diese sogenannte Musik-Piraterie quantitativ am meisten dort ab, wo die großen Pop-Künstler sind. Und für die Kleinen ist ihre Flexibilität sicher auch ein Vorteil. Aber man darf nicht vergessen: Die kleinere Firma hat geringere Einbrüche, aber von vorn herein ja auch kleinere Einnahmen.

 

Entwickelt sich der Musikvertrieb wie der von Lebensmitteln: Die Menschen erkennen die Vorteile regionaler Strukturen?

 

Kein schlechter Gedanke, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Gerade in Zeiten eines schrumpfenden CD-Marktes und um sich greifender Piraterie, ist das, was einen Fan an den Künstler bindet, das Live-Konzert. Die finden auf regionaler Basis statt. So gesehen ist an dem Vergleich was dran.

 

Das Klangfest wird maßgeblich organisiert vom Verband VUT. Vor allem jüngere Musiker unterstellen Verbänden schnell mal Vereinsmeierei.

 

Nick Woodland. Foto: Klangfest

Der VUT ist ein bundesweiter Verband mit 1200 Firmen aus dem Musikbereich. Das sind Wirtschaftsunternehmen, Agenturen, Vertriebe oder Ein-Mann-Firmen, bei denen die Musiker ihre eigenen Labels sind. Der Sinn des Verbandes lag zunächst darin, als Zusammenschluss der Kleineren den wenigen großen Major-Firmen etwas entgegenzusetzen. Inzwischen deckt der VUT 20 Prozent des deutschen Musikmarktes ab - das ist ein ganz enormer Anteil. Und die Mitglieder des VUT stellen ein Drittel aller Arbeitsplätze in der deutschen Musikwirtschaft. Wir sind also längst ein relevanter Wirtschaftsfaktor. Darüber hinaus können in der Organisation die Firmen gegenseitig voneinander profitieren.

 

Der Name Klangfest klingt nach anspruchsvollem Pop, Jazz, Weltmusik.

 

Natürlich haben wir den Anspruch, ein gehobenes Programm zu bieten, aber gehoben im Sinne der Qualität der Musik. Wir haben lange nach einem Namen für dieses Fest gesucht, der das deutlich macht, aber ohne dass wir uns stilistisch festlegen. Die Künstler kommen aus den Mitgliedsfirmen des VUT Süd – da gibt es natürlich alle Genres. Diesmal wird man besonders gut sehen, wie breit das Programm aufgestellt ist.

 

Es gibt ja schon einige Zeit einen hippen Trend zur musikalischen Regionalisierung – in Bayern angeführt von Bands wie La Brass Banda. Hält das noch?

 

Auch aus dem Bereich Mundart-Rock oder -Pop haben wir wieder Bands im Programm und freuen uns sehr drüber. Das ist aber keine von uns aus sozusagen gewollte Sache: Wir sagen nicht, es braucht mehr von dem oder weniger von dem. Wir versuchen einfach, aus den vielen, vielen Bewerbungen möglichst viele Stilrichtungen bunt zusammenzustellen. Mich freut zum Beispiel, dass wir diesmal auch eine Flamenco-Truppe dabei haben.

 

Mal ketzerisch gefragt: Kam aus München schon jemals etwas popmusikalisch Wichtiges außer dem Disco-Trend der 70er?

 

Franzlsepp. Foto: Klangfest

Dass München nicht viel zu bieten habe, ist immer nur der Blick von außen. Diese Wahrnehmung stimmt nicht. München hat eine riesige Kulturszene, von den Clubs bis zur Klassik – das ist genau unser Thema. München soll als Musikmetropole insgesamt wahrgenommen werden.

 

Vier Bühnen, 32 Bands, wie soll man das alles anhören?

 

Man sollte sich vorab ein bisschen orientieren und aus dem Programm ein paar persönliche Highlights heraussuchen. Das geht im Internet, über die Programmhefte oder auch mit unserem CD-Sampler, auf dem alle Bands drauf sind. Und wenn man weiß, welche Künstler man erleben will, sollte man - mein Tipp! – sich rechtzeitig zu der jeweiligen Bühne begeben. Wir kennen das vom letzten Jahr: Die Schlangen sind oft schon in den Umbaupausen sehr lang. Einfacher ist der Zugang sicher zur großen Open-Air-Bühne. Ansonsten haben wir eine Medienlounge, bei der man sich Live-Interviews anhören und ansehen kann.

 

Ihr persönlicher Bühnen-Favorit?

 

Ich werde leider gar keine Zeit haben, weil ich immerzu von einer Bühne zur anderen muss. Super-Auftaktstimmung wird sicher bei den Les Babacools sein. Und ich finde besonders toll das Bratschen-Quartett „bracc“, eine Art Ableger der Münchner Philharmoniker.

 

Klangfest im Gasteig am Samstag, Programm und Infos unter www.klangfest-muenchen.de.

 

Veröffentlicht am: 10.06.2011

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

Weitere Artikel von Michael Grill:
Andere Artikel aus der Kategorie