Kleine Rebellion im Atomic Café – „Young Rebel Set“ kämpfen mit dem Tour-Alltag und scheitern an der Akustik

von Salvan Joachim

Sänger Matty Chipchase hadert mit dem Bühnensound. (Foto: Salvan Joachim)

Der Bandname klingt nach Punk. Die Besetzung mit Mandoline und Mundharmonika verspricht Traditionelles: „Young Rebel Set“ sind eine hochgelobte Band aus Nordengland. Im Atomic Café aber versinken ihre eingängigen Songs im dröhnenden Einheitsbrei.

„Drehen und wenden, alles verschwenden“, singt „Der Herr Polaris“ und möchte das Publikum auf das Konzert von „Young Rebel Set“ einstimmen. Mitreißen kann das nur Wenige. Die meisten Besucher wenden sich, leicht im Rhythmus wippend, den Freunden zu. Sie erzählen sich die neuesten Geschichten vom Wochenende und übertönen die Klänge des Augsburger Liedermachers. Zwar variiert dieser gekonnt seine Stimme und die Anschlagsstärke an der Gitarre – doch er dringt nicht bis in die letzten Reihen vor. So richtet sich sein Song „Hallo, liebe Dämonen“ nicht nur gegen das namenlose Dunkel, sondern auch an das abschweifende Auditorium.

Andrew Parmley: Der schuftende Gitarrist vor dem Glitzervorhang. (Foto: Salvan Joachim)

Kurz darauf treten die sechs Musiker von „Young Rebel Set“ vor den funkelnden Glitzervorhang. Er mag nicht recht passen zu den Männern in Unter- und Karohemd. „Young Rebel Set“ machen keinen Glam-Rock sondern „Graft-Rock“, also „Schufterei-Rock“, wie ein englisches Musikmagazin die Band im Arbeiter-Antlitz beschrieb.

Das rohe Arbeiterleben steckt den Musikern im Blut. „Young Rebel Set“ kommen aus Stockton-on-Tees, einer Stadt an der Küste im Nordosten Englands, geprägt von Schwerindustrie und Schiffsbau. Die Art ihrer Songs kontrastiert stark mit der Prägung durch ihre Herkunft – das macht einen großen Reiz aus. „If I Was“ erzählt von der Sehnsucht, ein Segler zu sein und mit der großen Liebe zur See zu fahren. Zwischen den Wellen treibt es Sänger Matty Chipchase zum Heiratsantrag. Er ist voller Hoffnung und segelt gegen die Wehmut des schottischen Klassikers „My Bonnie lies over the Ocean“ an. Da fiebern auch die Münchner mit und nicht wenige kennen den Text.

David Coombe an der Mundharmonika (Foto: Salvan Joachim)

Eingängige Melodien zeichnen die Combo aus. Doch sie hat ihren individuellen Ton noch nicht ganz gefunden: Die jungen Musiker probieren viel aus, wechseln von Johnny Cashs Wechselbass zur gedämpft-verzerrten Rockgitarre. David Coombe tauscht die Mundharmonika gegen den Sampler, fügt der Snare einen verzerrten Hand-Clap-Sound hinzu.

Das Publikum klatscht nicht mit und das liegt an diesem Abend eindeutig an der Akustik: Der knarzende Bass überrollt die Mandoline. Statt Gesang und Gitarre sanft zu stützen, wirbelt die Orgel störend im Ohr. Immerhin wirkt das Zusammenspiel der Band harmonisch und stimmig. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn es stehen zwei Brüderpaare auf der Bühne. Der Ruhm ist „Young Rebel Set“ aber noch nicht zu Kopf gestiegen, wie es den Gallagher-Brüdern von „Oasis“ vor ihrer Trennung passierte. Außerdem kämpft die Band mit den natürlichen Nebenwirkungen des Tour-Alltags: Das Münchner Bier treibt Matty Chipchase an, er gönnt seinen Kollegen keine Verschnaufpause zwischen den Liedern. Nach einer knappen Stunde beendet er das Konzert, stellt das Bier auf den Bühnenboden und hetzt auf die Toilette.

Als Zugabe stimmen die verbleibenden Musiker einen ruhigen Song an. Zum zarten Gitarrenpicking pfeift Mark Evans eine Melodie. Der Sänger kommt zurück auf die Bühne, mit der brennenden Zigarette im Mund. Er singt sanft und leise. Der Rauch steigt ins Scheinwerferlicht. Ein Funke Rebellion liegt in der Luft. Mehr nicht.

Veröffentlicht am: 29.03.2011

Über den Autor

Salvan Joachim

Redakteur

Salvan Joachim (1986) ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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