Liebes Buch, wo wirst du wohnen? Die Pinakothek der Moderne fragt nach Vergangenheit und Zukunft der Bibliotheken

von Roberta De Righi

Taller de Arquitectura X / Alberto Kalach, Biblioteca Pública in Mexico-Stadt, 2011. Foto: Yoshihiro Koitani

Harry Potter und Holly Golightly tun es. Sie betreten eine Bibliothek, um Bücher zu lesen. Und ob die Schulbücherei von Hogwarts oder die New Yorker Public Library in „Frühstück bei Tiffany“, stets umgibt die Welt der Bücher die Aura eines beinahe heiligen Ortes. Dass das Medium Buch noch lange nicht tot ist, und Bibliotheksbauten mehr sind als eine Kinokulisse für Liebes-, Action- und Suspense-Szenen, zeigt nun die Ausstellung „Die Weisheit baut sich ein Haus“ in der Pinakothek der Moderne.

Gelehrsam und luzide wie gewohnt setzen Winfried Nerdinger und sein Team vom TU-Architekturmuseum ihrem Publikum den Bautypus der Bibliothek von den Assyrern bis heute in Fotografien, Plänen und Modellen und eben auch 60 Filmausschnitten auseinander.

Etienne-Louis Boullée, Entwurf für eine königliche Bibliothek, Paris 1785. Foto: Stiftung Bibliothek Werner Oechslin

Thema des ersten Raumes ist die Suche nach einem System für die universale Ordnung des Wissens und damit auch nach der Struktur einer Bibliothek. Sie ist quasi eine gebaute Enzyklopädie nach d’Alembert, also ein Ort für Erinnerung, Vernunft und Imagination. Kostbare Bände aus der Büchersammlung des Schweizer Kunsthistorikers Werner Oechslin machen diese Ordnungsmächte des Wissens sichtbar.

Nebenan führt eine kurze Baugeschichte von den Tonscherben im Palast des Assurbanipal über die sagenhafte antike Bibliothek in Alexandria zum St. Galler Klosterplan. Der offenbart, dass, obwohl das Wissen im europäischen Mittelalter in der Obhut der Klöster lag, die Aufbewahrung von dessen - handschriftlicher - Überlieferung die längste Zeit nicht mal ein eigenes Gebäude wert war.

Herzog & de Meuron, Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum der BTU Cottbus, Eingangsbereich, 2005. Foto: Martin Rattke, BTU Cottbus

Das änderte sich mit der Erfindung des Buchdruckes, ein erstes freistehendes Gebäude war etwa die Annahof-Bibliothek im protestantischen Augsburg 1562. Mit Michelangelos Medici-Bibliotheca Laurenziana in Florenz wurde der Bau von Bibliotheken auch eine Frage herrschaftlicher Repräsentation, der sich damit auch als Hüter der Weisheit inszenierte. Deren prachtvoller Höhepunkt dürfte die barocke kaiserliche Wiener Hofbibliothek von Fischer von Erlach sein.

Im 20. Jahrhundert erlebt der Bautypus eine eindrucksvolle Vielfalt. Da gibt es etwa Dominique Perraults vier Türme der Pariser Nationalbibliothek, die wie stehend aufgeschlagene Bücher aussehen. Man findet den weihevollen Stockholmer Zentralraum von Gunnar Asplund oder Scharouns freie mäandernde Form der Berliner Stabi – die Bibliothek ist auch ein Ort, der die Entwicklungen der Architekturgeschichte spiegelt. Nebenbei wird offensichtlich, wie wichtig die Gründung der „Public Librarys“ war und dass die Zerstörung einer Bibliothek auch die Auslöschung einer Kultur bedeutete.

Toyo Ito, Mediathek in Sendai, 2001. Foto: Toyo Ito, Tokyo

Und es gab hypertrophe Projekte, wie die in der Sowjetunion geplante Lenin-Bibliothek oder das Mundaneum in Genf – die nie realisiert wurden. Vielleicht weil bei einem derartigen Anspruch Jorge Lluis Borges’„Bibliothek von Babel“ nah war: So groß, dass man darin nichts mehr finden kann.

Am Ende steht die Frage nach der Zukunft des Buches, und damit auch der Bibliotheken. Erst einmal werden sie eben in etwas umfassendere Mediatheken - wie von Tyo Ito in Sendai - umgewandelt. Doch gibt es am Ende nur mehr ein dem I-Pad ähnliches Gerät, das auf das digital gesammelte Wissen der Welt zugreifen kann? Dass, wie eine Foto-Projektion zeigt, der Bau von Bibliotheken weltweit in den letzten 20 Jahren einen erstaunlichen Boom erlebte, macht doch Hoffnung, dass auch in der digitalen Datenflut Büchernarren noch eine Arche finden werden.

Bis 16. Oktober, täglich 10 bis 18, Do bis 20 Uhr, Katalog (Prestel) 35 Euro

Veröffentlicht am: 17.07.2011

Über den Autor

Roberta De Righi

Roberta De Righi ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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