Freitagsgedanken (Folge 5): Fenster auf, es stinkt nach Gis-Dur!

von Clara Fiedler

Klassik mal würzig, mit E-Geige, Zimt und Paprika. Nur ein Serviervorschlag. Foto: Clara Fiedler

Es ist August, wo bleibt die Weihnachtsdeko, wo sind die Lebkuchen, verdammt, warum schmeckt das Leben noch nicht nach Zimt und Tannenharz? Okay, es ist noch etwas hin, bis man vor der Kälte draußen flieht und die Wärme im Gold der Christbaumkugeln sucht. Trotzdem, ich bin schon ganz heiß drauf, endlich wieder den Geruch dieser schon hundertmal gesungenen Lieder in der Nase zu haben.

Sind Sie gerade gestolpert?

Ist auch nicht weiter verwunderlich, denn wer riecht schon ein Musikstück? Oder: Wie kommt es, dass wir nicht alle Sinneswahrnehmungen koppeln, sondern nur bestimmte Synästhesien verwenden? Wie kommt es, dass es tatsächlich Menschen gibt, die Zeit sehen können, aber keinen, der reinkommt und sagt: „Hey, macht mal das Fenster auf, hier stinkt es gewaltig nach Gis-Dur“?

Und wenn wir nicht wirklich zu den vier Prozent gehören, die Studien zufolge wirklich Synästhetiker sind, gehen wir dann einen Umweg über ein Gefühl oder eine Prägung?

Wahrscheinlich. Wir sind alle Pawlow’sche Hunde. Egal, ob wir nun ein Glöckchen hören, oder Schuberts „Ave Maria“: Es gibt Futter. Fürs Gehirn, denn das sucht letztenendes das Gefühl heraus, das uns dann befällt. Und dennoch: Egal, wie gleich wir sind in unseren Verhalten, zu assoziieren was das Zeug hält, so unterschiedlich wären wir wahrscheinlich in den Assoziationen, wenn die nicht schon von Generation zu Generation weitergegeben würden. Das ist auch gut so, denn sonst könnte es weder Film noch Theater noch eine funktionierende Werbung geben. Und die Musiker sähen dann auch relativ alt aus.

Aber bevor wir uns wieder Gedanken darüber machen, wie man die Zimtallergie loswird, die daher rührt, dass man eigentlich auf die Verwandten allergisch ist, mit denen man an Weihnachten konfrontiert wird, lassen Sie uns das Ganze mal ein bisschen zelebrieren! Was wären wir denn ohne diese herrlichen Abgedroschenheiten, was ohne unsere liebenswerten Klischees? Und nein, ich rede nicht von Gartenzwergen oder Blümchentapete. Es geht mir um das Bild, das entsteht, wenn man Mozarts Zauberflöte hört und die Königin der Nacht das erste Mal auftritt. Dass man rot wird, wenn man von bestimmten Dingen spricht oder auf die Toilette muss, wenn man einen Wasserfall hört. Wenn wir uns nicht sicher sein könnten, dass wir ähnliche Dinge miteinander verbinden, hätten wir in vielerlei Hinsicht erhebliche Kommunikationsprobleme.

Vor allem die Komplimente wären nur halb so schön. Ich gebe jetzt ab an meine Kollegen, denn die sind ganz wunderbar! Da ist nämlich zum Beispiel eine, die hat Zitrone und Vanille im Wesen, eine Art erfrischende Verlässlichkeit mit natürlichem Witz. Dann ist da der, der nach Beethovens drittem Klavierkonzert klingt. Grüblerische Schwere mit einem Schuss Mittelfinger, eine lyrische Seite und als Schlusspunkt der Sarkasmus, bei dem man sich nicht sicher ist, ob Liebe oder Schmerz dahintersteckt. Oder Herr Ingwer, auf den ersten Blick unscheinbar (liegt an der Farbe der Schale. Dieses Graubraun braucht Kontraste), sorgt aber in jedem Gericht für eine besondere Note und einen Tick Schärfe. Es gibt auch einen, der ist so richtig türkis, weil er irgendwie nicht blau und nicht grün ist, aber in dieser Mischung ganz interessant zu beobachten. Raten Sie mal eine Runde! Oder gehen Sie auf Ihre eigenen Kollegen los...

 

 

Veröffentlicht am: 19.08.2011

Über den Autor

Clara Fiedler

Redakteurin

Clara Fiedler ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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