Uraufführung "Built to Last"

Die Choreografin Meg Stuart in ihrer ersten Produktion für die Kammerspiele

von Gabriella Lorenz

Ein Gang durch die Geschichte des Tanzes: "Built to last". Foto: Julian Röder

Denkmäler und monumentale Gebäude sind für die Ewigkeit gebaut, auch wenn sie dann meist nur ein paar Jahrhunderte währt. Trotzdem konfrontieren Monumente uns mit der Vergangenheit, rufen Erinnerungen wach und wollen in die Gegenwart integriert werden. Wie das alles funktioniert, damit beschäftigt sich die amerikanische Choreografin Meg Stuart in den Kammerspielen.

Es ist dem Kammerspiele-Intendanten Johan Simons wichtig, spartenübergreifend auch Tanz und Musik ins Repertoire seines Hauses zu integrieren, hat er doch selbst seine Karriere als Tänzer begonnen. Deshalb holte er Meg Stuart als Künstlerin in Residenz an die Kammerspiele. Hier zeigte sie in der letzten Spielzeit bereits zwei Gastspiele als Einführung in ihre Arbeit.

Meg Stuart ist in New Orleans geboren, in Los Angeles aufgewachsen und hat in New York studiert. Beide Eltern waren Theaterregisseure - vielleicht ein Grund, warum sie immer Schnittstellen zwischen Theater und Tanz sucht. Ihre Europa-Karriere begann 1991 mit einer Einladung zum "Klapstuk"-Festival in Leuven. Den Durchbruch brachte ihr 1993 die Produktion "No Longer Readymade", die wegweisend für die europäische Tanzszene wurde. Ihre 1994 gegründete Company Damaged Goods hat ihren Sitz in Brüssel, die Künstlerin lebt in Berlin. Sie hat am Schauspiel Zürich und an der Volksbühne Berlin mit den Regisseuren Christoph Marthaler, Stefan Pucher und Frank Castorf gearbeitet und war mit ihren Choreografien auf der Manifesta 7 und der Documenta X eingeladen.

"Built to Last" - das gilt auch für große Kunstwerke wie Beethovens Sinfonien. In den Kammerspielen wollte Meg Stuart erstmals mit sinfonischer Musik arbeiten. Dafür stellt der Musiker Alain Franco Beethoven und Bruckner zeitgenössischer Musik von Xenakis und Stockhausen gegenüber.

"Beethovens Werk wird uns überleben. Wie begegnet man diesem Klassiker?", fragt die Choreografin. Sie schickt eine Gruppe von fünf Menschen auf einen Gang durch die Geschichte und die Archive des Tanzes. "In welcher Körpersprache drücken sie sich aus? Roboterhaft oder romantisch? Sie probieren viele verschiedene Formen aus, springen zwischen den Stilen hin- und her. Das Ganze ist wie eine Zeitmaschine, die mit den Perspektiven spielt", erklärt Stuart. "Wie drücken wir uns über Bewegungen aus, wenn die Sprache nicht reicht? Mir ist dabei uch die Mimik, der Gesichtsausdruck wichtig."

"Wie können monumentale Bilder etwas ganz Menschliches bekommen?" . Foto: Julian Röder

Neben dem Umgang mit der Geschichte, mit den Konzepten des Archivierens und Hortens interessiert sie auch die Rückeroberung des öffentlichen Raumes. "Viele Denkmäler in München haben eine kollektive Kraft im öffentlichen Raum. Man kennt sie als Symbole, auch wenn man ihre Namen oder ihre Bedeutung nicht kennt", meint Stuart. Vielleicht werden einige per Video zu sehen sein.

Der Zwiespalt von Vergangenheit und Gegenwart weckt auch Gedanken an die Zukunft. "Die Leute wollen einerseits Sicherheit und beständige Werte, suchen aber Neues. Die Welt entwickelt sich weiter. Für mich verändern sich die Dinge ständig, alles ist im Fluss", sagt Stuart.

Unter den vier Tänzern von Damaged Goos ist auch Meg Stuarts Bruder Davis Freeman, mit dem sie früher oft zusammengearbeitet hat, zuletzt vor zehn Jahren. Aus dem Kammerspiele-Ensemble ist Kristof Van Boven dabei, den sie schon von früheren Arbeiten kennt. Lena Lauzemis, die auch mitmachen sollte, fiel wegen einer Verletzung aus. Die Mischung aus Tänzern und Schauspielern ist für die Choreografin problemlos: "Ich diktiere nicht, sondern arbeite über Improvisation und mache Vorschläge. Die Performer machen auch Vorschläge und bringen sich ein." Sie stellte keine psychologischen Beziehungen zwischen den Figuren her, sondern sieht sie als Gemeinschaft. Und fragt: "Wie können ikonische, monumentale Bilder etwas ganz Menschliches und Verletzbares bekommen?"

Spielhalle der Kammerspiele. Nächste Termine 2., 3. und 4. Mai 2012, Tel. 233 966 00

Veröffentlicht am: 30.04.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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