Gastrokritik zum Restaurant Incontro: Münchens Geheimtipp im Härtetest

von Michael Grill

Eine Geschichte wie ein Gastro-Märchen: Zwei Brüder aus Apulien übernehmen eine kleine Sportgaststätte im Niemandsland zwischen Waldfriedhof und Südpark, die Oma bringt die selbstgemachten Nudeln über die Alpen – und plötzlich geht die Kunde vom besten Geheimtipp Münchens durch die Stadt und manche sehen einen neuen Stern am Gastrohimmel. Kann das wahr sein?

Der Anruf zur Reservierung bestätigt, dass das Incontro am MTV-Sportplatz (nicht zu verwechseln mit der Pizzeria gleichen Namens in der Au) derzeit gestürmt wird von den Gästen. Nur mit etwas Glück werde sich ein freier Tisch finden lassen, sagt die Frau am anderen Ende der Leitung.

Das Glück ist uns hold, und so nehmen wir gespannt Platz auf Bauernmöbeln mit rotem Kunstlederbezug in einem Raum mit Holzvertäfelung in Sichtweite einer 70er-Jahre-Bar. Aber es ist insgesamt hell, offen und gemütlich; das Publikum ist eine nicht unangenehme Mischung aus Vorstadt-Yuppies und buchstäblich alteingesessen Sportgaststätten-Normalos, den sogenannten Angeschraubten.

Der Wein versetzt uns einen ersten Dämpfer: Sowohl der Bianco (Falanghina) wie der Rosso (Primitivo) von der Tagesempfehlung sind zwar nicht schlecht, aber ein bisschen flach und mit je 5.50 Euro deutlich zu teuer. Viel besser im Preis-Leistungs-Verhältnis sind die Vorspeisen: Die Artischocken vom Grill mit Balsamico und Parmesan (7.90) sind ein eigentlich gutes Geschmackserlebnis, ebenso das Kürbis-Carpaccio mit Jacobsmuscheln in Thymian-Proseccsauce (7.90). Allerdings gehen sowohl die Artischocken wie auch der Kürbis etwas unter: Ihr Eigengeschmack wird übertönt von einer Verfremdung, die mal von der Fritteuse und mal vom Pizza-Holzofen stammen dürfte.

Beim Fischteller vom Grill (14.90) ist die Krabbe in Ordnung und das Gemüse knackig, der Lachs aber definitiv zu trocken. Auch der Kaninchenkeule (14.90) fehlt der Saft, die beiliegende Polenta ist ordentlich. Es geht so weiter bei den Nachspeisen: Maronenmousse (3.90) wäre noch mehr ein Genuss, wenn das Maronenaroma nicht hinter der Schokoladensauce verschwände, Tartufo (3.90) sollte nicht nur nach Amarettolikör schmecken.

Vielleicht waren wir etwas zu kritisch, aber die Latte hing nun mal hoch. Man fühlt sich durchaus wohl im Incontro, es ist dort wie daheim bei einer italienischen Mama. Aber bis hier ein Stern aufgeht, braucht das Märchen noch einige Kapitel mehr und vor allem ein paar magische Momente.

Werdenfelsstraße 70, Mo – Sa 10 bis 23 Uhr, So ist Ruhetag, Reservierungen unter Telefon 7193320

Veröffentlicht am: 08.12.2010

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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