Wenn nur das Stück nicht wär': „Grand Hotel“ als Musical am Gärtnerplatz-Theater

von kulturvollzug

Tapfer: Lucius Wolter und Milica Jovanovic. Foto: Hermann Posch

Nach der Broadway-Premiere vor 21 Jahren resümierte die „New York Times“ ziemlich ungalant, welche Traumbesetzung dem Stück vielleicht auf die Sprünge geholfen hätte: Natalia Makarova als alternde Tänzerin Gruschinskaja, dazu Sting, blond und schön, als verarmter Baron und Gelegenheitsdieb von Gaigern, Madonna als Hollywood-geile Stenotypistin Flämmchen und je nach Bedarf Michael Douglas in der Rolle des zwielichtigen Unternehmers Preysing.

Ein Schmäh, aber vielleicht wären dadurch die Chancen für das Musical „Grand Hotel“, Kultstatus zu erreichen wie der Film mit Greta Garbo, nicht unerheblich gestiegen. So aber blieb es ruhig. Auch die deutsche Erstaufführung 1991 im Berliner Theater des Westens, immerhin mit Leslie Caron, löste keinen Boom aus.

Verständlich, denn schon der zugrunde liegende Roman „Menschen im Hotel“ von Vicki Baum reiht ziemlich kolportagehaft die Schicksale der handelnden Personen aneinander. Die in die Jahre gekommene Tanz-Diva, der adlige Gigolo, der todkranke jüdische Buchhalter Kringelein, das naive Trutscherl mit Film-Ambitionen: aus diesen Hotelgästen eine Musical-Crew zu zimmern, grenzt an die Quadratur des Kreises.

Wer dennoch darauf setzte, dass die Musik einiges herausreißt, wurde am Gärtnerplatz schnell eines Besseren belehrt. Die Songs von George Forrest, Robert Wright und Maury Yeston sind dann am besten, wenn sie Charleston oder Foxtrott zitieren. Sobald Stephanie Götz und David Koglin über die Bühne schweben, denkt man an Ginger und Fred. Die von Hardy Rudolz choreographierten Tanznummern haben Pfiff und Charme.

Morbide Grandezza - doch das ist nicht abendfüllend. Foto: Hermann Posch

Doch leider meinten es die Autoren dann immer wieder auch ernst. Die Lebensweisheiten eines Groschenromans, serviert als wichtigtuerisch aufgeplusterte Klanghülsen: laut, protzig und uncharmant (Dirigent: Andreas Kowalewitz). Das kratzt nicht nur an den Nerven. Das ist auf Dauer vor allem langweilig.

Inwieweit Regisseur Pavel Fieber freie Hand gehabt hätte, kürzend in das Geschehen einzugreifen, mag dahin gestellt bleiben. Der Inszenierung fehlen Schwung und jene überraschenden Momente, ohne die ein Musical nicht auskommt.

Zwar beschwört die von Christian Floeren in düsterem Schwarz-Weiß präsentierte Bühne glaubhaft die morbide Grandezza der späten Zwanziger Jahre, aber das allein ist nicht abendfüllend. Auch die guten Akteure retten nichts. Die hinreißende April Hailer (Gruschinskaja), der anrührende Gunter Sonneson (Kringelein), die kecke Milica Jovanovic (Flämmchen), dazu Hardy Rudolz, Lucius Wolter, Marianne Larsen und die virtuosen Tanz-Gäste – sie alle hätten ein besseres Stück verdient gehabt.

Volker Boser

Wieder am 7., 23. Februar und im März, Karten unter 2185-1960

Veröffentlicht am: 04.02.2011

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