"Der Vorname" von Delaporte/de la Patellière im Residenztheater

Da hört der Spaß auf

von Gabriella Lorenz

Linksliberale um die 40. Michele Cuciuffo, René Dumont, Sophie von Kessel. Foto: Matthias Horn

Adolphe oder Adolf? Wo ist der Unterschied? Muss man Adolf zwangsläufig mit Hitler ergänzen? Oder denkt man an den Helden von Benjamin Constants 1816 erschienenem Roman „Adolphe“? „Der Vorname“, den Vincent für seinen ungeborenen Sohn verkündet, löst einen bösen Familienstreit aus. Das Salonstück des französischen Autorenduos Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière im Residenztheater eifert Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“ nach, erreicht aber nicht dessen Qualität. Auch wenn sich am Ende vieles als Bullshit entpuppt, ist es keine Komödie. Aber von Stephan Rottkamp mit fünf glänzenden Schauspielern boulevardesk komisch inszeniert.

Elisabeth, Französischlehrerin, und Pierre, Literaturprofessor, haben zum marokkanischen Büfett eingeladen. Im engsten Kreis: Elisabeths Bruder, der Immobilienmakler Vincent, dessen schwangere Frau Anna, und der Posaunist Claude. Außer Anna kennen sich alle seit frühester Kindheit: Claude wurde als Bub in die Familie aufgenommen, Pierre war ein Jugendfreund. Man sitzt locker auf Sitzsäcken um den Couchtisch, vor einer weißen Wohnwand, die wie ein riesiges Puzzleteil aussieht (Bühne, Kostüme: Robert Schweer). Dass ein Erzähler (Norman Hacker) erstmal das Milieu und die Figuren vorstellt, ist völlig überflüssig. Man sieht's auch so: Gutsituierte liberale Links-Intellektuelle um die 40.

Etwas gereizt. Sophie von Kessel, Michele Cuciuffo, Norman Hacker. Foto: Matthias Horn

Das unverfängliche Smalltalk-Parlando, mit dem Boulevard-Stücke anzufangen pflegen, verweigert Regisseur Stephan Rottkamp seinen Darstellern. Schon am Anfang  herrscht ein gereizter Ton zwischen dem faulen, selbstgerechten Pascha Pierre (Michele Cuciuffo) und Elisabeth (Sophie von Kessel): Er sucht einen Schlüssel, sie reibt sich auf zwischen Küche, quengelnden Kindern, dem Wegräumen von Spielzeug und Schlüsselsuche. Kaum ist Vincent da und hat das Reizwort Adolf hingeschmissen, wird der Ton grimmig - es gibt keine Steigerung von lockerer Frozzelei zur Grundsatz-Diskussion. Vincent ist ein Provokateur, er will nur spielen. Die Adolf-Idee klaut er spontan aus Pierres Bücherregal. Norman Hacker zeigt einen verwöhnten Angeber, charmant, aber nur halbsympathisch, eher ein Kotzbrocken, egoistisch und infantil. Weshalb seine taffe Frau Anna (Friederike Ott) ihn dann vor eine böse Wahl stellt.

Im Streit über den belasteten Namen Adolf bröselt die Toleranz schnell. Aber außer vielen Essensschüsseln kommt noch mehr auf den Tisch - alte Verletzungen und Vorurteile. Claude, der Posaunist, wird verdächtigt, schwul zu sein: Er muss gestehen, eine Frau zu lieben. René Dumont münzt dezent Claudes ergriffen-ergreifende Liebeserklärung in feine Sentimentalitäts-Komik um. Weil aber alle seine Geliebte sehr gut kennen, lässt Vincent die Faust fliegen und Claude landet auf dem kurz darauf einbrechenden Tisch.

Elisabeth ist beleidigt, dass ihr bester Freund sie nie eingeweiht hat, und rechnet mit allen ab. Vincent war der verzogene Liebling, für Pierres Karriere hat sie die eigene geopfert. Sophie von Kessel wütet sehr  überzeugend, ist nur etwas zu schön für ein verhärmtes Heimchen.

Residenztheater, 13., 17. Dez., 20 Uhr, 31. Dez. 2013, 18 Uhr, 15., 24. Jan. 2014, 20 Uhr, Tel. 2185 1940

Veröffentlicht am: 09.12.2013

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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