25 Jahre Auktion des Akademievereins

Kunst für alle und ein bisschen Kokolores

von Michael Grill

Der Himmel über einem Pressefrühstück. Foto: Michael Grill

Das hätte man einfacher haben können: Ein verdienstvolles Vierteljahrhundert gibt es nun die Auktion des Akademievereins an der Kunstakademie, bei der vor allem Studentenwerke versteigert werden. Das ist die eine Hauptnachricht. Die andere lautet, dass die seit 1988 amtierende Vorsitzende und Mäzenatin Gile Haindl-Steiner das Zepter an die allseits geschätzte frühere Stadträtin Monika Renner weitergereicht hat. Alles super! Doch an der Kunstakademie kommt es gern mal anders als gedacht.

Denn es war so: Bei einer als "Pressefrühstück" vor der Auktion deklarierten Veranstaltung im Akademie-Neubau waren auch Mark Gegenfurtner, Abteilungsleiter des städtischen Kulturreferats, und Jürgen Enninger, Leiter des städtischen Kompetenzteams Kultur- und Kreativwirtschaft, zugegen - spektakulär genug eigentlich, wenn man bedenkt, dass einer freistaatlichen Institution wie der Kunstakademie früher schon die Behauptung der Existenz von städtischer Kultur absurd erschienen wäre. Doch die neue Fördervereins-Vorsitzende Renner bringt ja ideale Voraussetzungen mit, dass hier so mancher Graben übersprungen und so mancher Zopf beschnitten werden kann.

Renner stellte also zunächst Gegenfurtner und sein Referat als "natürlich wichtigen Partner" vor, es interessiere sie, "wo da die Scharniere sind", wenn es um Zusammenarbeit geht. Dann wies sie auf Enninger, der an der Dachauer Straße das Kreativquartier mitentwickelt und dort "eine wirtschaftsfördernde Beratung für Kreativschaffende führt". Man möchte schließlich auch die Absolventen der Akademie auf einen Weg bringen, "wo sie Existenzen als Künstler führen können".

Das war möglicherweise zu viel der Provokation für den Bildhauer-Professor Hermann Pitz, der Rektor Dieter Rehm vertrat. Er stellte also für die lieben Gäste klar: "Wir sind marktfern. Der Markt interessiert uns eigentlich überhaupt nicht." Seine nähere Erläuterung tangierte rhetorisch irgendwie die Europäische Zentralbank, klar wurde immerhin, dass man irgendwie gegen das System zu sein habe. Zudem ist man gegenüber Kreativzentren, Auktionen und anderen kapitalistischen Auswüchsen zu Milde bereit: "Für die wenigen, die in den Markt wollen, ist das eine gute Erfahrung."

Gegenfurtner ließ sich hoffnungsfroh nicht irritieren und verwies auf die "vielen nicht bekannte Vielfalt der Förderung, die das Kulturreferat anbietet". Gerade angesichts des teueren Lebens in München sei es doch nicht unwichtig, "dass wir Räume haben, die noch befreit sind vom Marktdruck". Die Stadt wolle gerne hilfreich sein, "bevor die Studenten auf den Markt geworfen werden". Enninger wies "weit von sich", dass er "die Kultur kommerzialisiere", und Pädagogik-Professor Matthias Waehner deeskalierte, dass "die Auktion kein Abbild des Kunstmarktes" sei, flankiert von Haindl-Steiner: "Ich sage auch jedesmal: Denkt nicht, dass das jetzt so weitergeht, und dass ihr weiter so viel Geld bekommt." Wichtig sei vor allem, dass "die Bürger dieser Stadt die Schwelle dieses Schlosses überwinden." Alles wieder gut? Wie man es nimmt. Eigentlich ging es jetzt erst richtig los. Wir dokumentieren in nur leicht gekürzter Form; eingeführt werden muss noch Bernhard Wittenbrink, Galerist und einer der beiden langjährigen Auktionatoren auf Seiten des Akademievereins.

Wittenbrink: Städtische Ausstellungsräume sind übrigens im Grunde Kokolores. Besser wäre, man würde das Geld direkt an die Künstler geben.

Gegenfurtner: Da halte ich diese Meinung für Kokolores. In einer Stadt wie München ist Raum das Wertvollste.

Wittenbrink: Ich habe in den 70er Jahren für Ausstellungsräume in München gekämpft, damals entstand die Lothringer 13. Damals war das notwendig. Heute aber sollte man das Geld direkt an die Künstler geben.

Gegenfurtner: Da beißt sich die Katze in den Schwanz, das ist doch höchstens eine Verschiebung des Geldes.

Wittenbrink: Zum Beispiel das Maximiliansforum, das ist überholt. Man sollte endlich mal neu nachdenken. Nicht dieses statische Festhalten an Formen.

Haindl-Steiner: Ich bin froh über jede Initiative der Stadt!

Pitz: Ich rate dazu, das Wort Kokolores freundlicherweise zurückzunehmen. Aber der Gedanke ist interessant: Brauchen wir die Lothringer 13 noch?

Renner: Ich widerspreche sehr. Die Lothringer 13 ist ein unverzichtbarer Begegnungsort, ich habe sehr dafür gekämpft, dass er erhalten bleibt!

Wittenbrink: Ich habe ja nichts dagegen, aber die Dinge verändern sich. Das Kulturreferat sollte doch das hellwachste Ressort sein. Denn ohne Kultur ist alles nichts.

Gegenfurtner: Sollen wir jetzt die städtischen Räume aufgeben?

Wittenbrink: Jetzt sehen Sie es mal nicht so kurz, sehen Sie es als Denkanstoß.

Gegenfurtner: Bei uns stehen die jungen Künstler Schlange, um in diesen Räumen auszustellen.

Haindl-Steiner: Die Zeiten haben sich geändert. Vor 25 Jahren war die Kunst ein Elfenbeinturm. Heute kann jeder kommen, es gibt ganz neue Freiheiten und neues Zutrauen.

Waehner: Das ist ja auch das Geniale an der Aktion.

So war man doch ganz wieder da, wo man hinwollte oder zumindest hinwollen hätten sollen. Auf die gemeinsame Weißwurst wurde zwar überwiegend verzichtet, doch neue Freundschaften können sich nun auch in der Praxis bewähren.

Veröffentlicht am: 10.11.2015

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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