Nische für die Veteranen des spontanen Blechs: Das Import-Export ist alt-neu

von Michael Wüst

Dass es so etwas in München gibt: Das Import Export. Foto: Michael Wüst

Erst vor einem Monat war, ganz gemäß Ansage, Schluss gewesen im Bahnhofsviertel. Doch vor wenigen Tagen verkündeten Tuncay Acar und Michael Schild vom „Import-Export“ die frohe Botschaft, dass es weitergehen könne. Der west-östliche Divan an der Goethestraße ist also wieder frei für Besetzungen jeglicher kreativen Art.

„Eigentlich ist es ja ganz angenehm gewesen, mal ein paar Tage durchzuatmen“, sagt bei der Wiederöffnung am 1. Juni Michael „Maiki“ Grudziecki an der Bar, „zuletzt hatten wir ja an sechs Tagen die Woche Programm.“ Da konnte er sich wenigstens mal um seine Ausstellung „Seaforts“ kümmern, die im April stattfand. Und: Nein, hier habe der Zwischennutzer keine Angst vor der Gentrifizierung. Zunächst einmal ist ja dieser Raum ein Geschenk gewesen, eine Hinterlassenschaft der Münchner Kammerspiele, intendiert noch vom letztjährig scheidenden Intendanten Frank Baumbauer. „Munich Central“ hieß das ethnologisch orientierte Stadtprojekt.

So waren die heutigen Räume des „Import-Export“ der Ausgangspunkt für die Erzählungen dieses südlichen Bahnhofsviertels seit den 50er Jahren, der Animierbars und Jazzkneipen bis zu den heutigen Strukturen der arabisch-türkischen Szene, bulgarischen Leiharbeitern und schaler gewordenem Rotlicht. Vielleicht von daher sucht die „Ausstattung“ des heutigen „Import-Export“ ihresgleichen. Eine bessere Nische, ausgekleidet mit einer ziegelfarbenen Landkarte von München, vollgepinnt mit Suchanfragen, dient als Bühne, erinnert im Stil an Arbeiten der Theatergruppe „Rimini Protokoll“. Ein raffiniertes Spiel mit Öffentlichem und Privaten.

Schöne Grüße von Rimini Protokoll. Foto: Michael Wüst

Als Raumbeleuchtung bestens bekannte schwedische Büroschwenkleuchten. Sie setzen pinkfarbene und grüne Punkte an die Wände, die mal gekachelt sind, mal nicht, und gut passen zu türkischen Gesängen vom Band. Vor der Bühne, als Tanzbremse, ein Teppichboden. Insgesamt mehrere konfus ineinander verschachtelte Räume. Es muss wohl so sein: da hat sich ein ganzer Raum verirrt. Gottseidank, freiwillig würde so etwas in München nie entstehen. Draußen, ein langgezogener Hausgang, der als Heißluft-Räucherkammer dient.

Klar, dass echte Veteranen des spontanen Blechs die Wiedereröffnung feierten. Die „Express Brass Band“ um den meistens in ein Helikon eingewickelten Wolfgang Schlick blies den pappvollen Laden weiterhin mit den stoßweisen Akzenten der Nu-Polka-Blasmusik aus dem Maghreb auf. Er wirbelt gern auf engstem Raum in der Zwangsjacke seines Helikons. Der Trichter des kleineren Sousaphons nickte den Bläsern zu, zählte sie ein zu ihren Riffs und die Sache groovte. Die Band spielte zu Anfang „Radio Kabul“, offensichtlich schon eine Erkennungsmelodie der Szene. Wie viele Mitglieder die „Express Brass Band“ hätte? Schlick: „Weiß ich nicht genau, so um die 25.“ Da mischte sich Harro, der Grübler (Basstuba) ein: „Knapp sieben Milliarden.“ Angenehme Nachtruhe.

Veröffentlicht am: 04.06.2011

Audioausgabe des Artikels
Hören Sie sich hier die Audioausgabe des Artikels an, gesprochen von Christian Weiß:

Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

Weitere Artikel von Michael Wüst:
Andere Artikel aus der Kategorie