Von der Straße geholt: Portraits von Wiesn-Besuchern

von Achim Manthey

USA (Foto: Andreas Neubauer)

Mit der Ausstellung "Wiesnleut - Bavarians & Others" im Schauraum 1899 präsentiert der Fotograf Andreas Neubauer sein gleichnamiges Buch.

Unglaublich, wie das amerikanische Pärchen in seinem Wiesn-Outfit dem Klischee von gestandenem Buam und Madl entspricht. Die Gewänder sind stimmig. Nur sein ernster und ihr etwa hilfloser Blick offenbaren keine Vor- oder Nachfreude über dieses größte Volksfest der Welt, sondern strahlen so etwas von "these crazy Germans" aus.

Das könnte an der Situation gelegen haben. Während der 200. Wiesn im vergangenen Jahr nämlich lauerte der Fotograf Andreas Neubauer in einem zum Atelier umfunktionierten Laden in der Münchner Landwehrstraße, die schnurstraks Richtung Theresienwiese führt, den einschlägig verkleideten Passanten förmlich auf, lotste sie hinein in das Geschäft und rang ihnen das Einverständnis zu Portraitaufnahmen ab. Scheu, Skepsis war zu überwinden, angeborene Offenheit und überbordender Exhibitionismus in darstellbare Bahnen zu lenken. Herausgekommen ist eine bemerkenswerte Charakteristik der Besucher dieses alljährlichen "bayerischen Nationalrauschs", wie es der Zeichner Michael Matthias Prechtl einmal nannte.

Julia springt (Foto: Andreas Neubauer)

Andreas Neubauer (46), der in München und Berlin lebt und arbeitet, ist fotografischer Autodidakt. Die Schauspielschule schmeißt er. Seit 1990 ist er als Fotograf unterwegs mit einer ganz beachtlichen internationalen Karriere als Star-Portraitist, der von Billy Wilder über Wim Wenders bis hin zu Angelina Jolie alle vor der Kamera hatte.

Nochmal Amis: die drei, die nicht auf den üblichen Münchner Kopfbedeckungs-Tand zurückgriffen, sondern ihre knallbunten, überdimensionalen Stedsons mitgebracht hatten, sind köstlich. Auch die vier Schotten in ihren Röcken, die, wie Neubauer dem Kulturvollzug erzählt, tatsächlich nichts drunter trugen und denen nur schwer begreiflich zu machen war, dass Blankziehen auf den Fotos nun einmal nicht geht. Pure Lebensfreude bei der jungen Frau im Dirndl, die einen Luftsprung vollführt. Mehr zwischen Traum und Wirklichkeit scheint das Paar im Honeymoon aus Kuwait zu stehen. Menschen aller Nationalitäten, Ausrichtungen und Stände haben sich portraitieren lassen, "losgelöst vom Oktoberfest", wie der Fotograf meint. Oder doch nicht so ganz?

Finninnen (Foto: Andreas Neubauer)

Tracht? Klar, sogar echte gibts zu sehen. Gerade ältere Menschen haben sich in ihren ganz traditionellen Gewändern ablichten lassen, hochgeschlossen, gradlinig. Der schon etwas derangiert wirkende Grantler mit prächtigem Gamsbart auf dem Hut und dem üppigen Charivari am Bauch ist sehr authentisch. Daneben die jüngeren in dieser Pseudo-Tracht, Mädels, die sich das durchaus leisten können, in kurzen Dirndln, High Heels an den Füssen. Das wirkt nur lächerlich. Bemerkenswert der Mann, der mit seiner durchgehend in lila gehaltenen Tracht überhaupt keinen Hehl aus seiner Neigung macht. Ob es passt oder nicht: viel Sorgfalt wird angewendet aufs Outfit, mit dem man in die Bierschlacht zieht.

Die Ausstellung ist durchaus sehenswert, weil bunt, lustig, ernst und anregend. Das Buch dazu ist gut gemacht, bleibt auf ewig aktuell - und wird nicht wirklich gebraucht, weil man das, was es zeigt, alljährlich auf diesem Irrsinn namens Wiesn auch life sehen kann.

 

Bis zum 3 Oktober 2011 im Schauraum 1899 in der Landwehrstr. 67 in München, täglich von 15-19 Uhr bei freiem Eintritt. Das gleichnamige Buch ist für 28 Euro erhältlich.

 

Veröffentlicht am: 22.09.2011

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