Das Autowrack an der Maximilianstraße
Geruch der Revolution? Geruch von Parfüm!
An der Münchner Maximilianstraße hat der Münchner Künstler Christian Schnurer das ausgebrannte Autowrack eines tunesischen Polizisten geparkt. "Transport a Smell of Revolution" nennt er die Aktion. Zu riechen ist davon nichts.
Der Gegensatz könnte krasser nicht sein. Fast in der Mitte von Münchnens nobelster Flaniermeile, schräg gegenüber dem Hotel "Vier Jahreszeiten" und umgeben von noblen Geschäften mit Markenmode, Schmuck und Uhren, für deren Preis sich leicht ein Kleinwagen mit Zusatzausstattung anschaffen ließe, ist auf Höhe des Hauses Nr. 20 ein ausgebranntes, verbeultes und stark verrostetes Autowrack ordentlich am Randstein geparkt. Und aus dem Inneren dringt, übertönt vom Straßenlärm und praktisch unverständlich, Stimmengewirr.
Man ahnt es schon: Angesichts des Umstandes, dass die Ordnungshüter hier nicht stante pede eingeschritten und das grell-rote Sofort-Entfernen!-Bapperl aufgeklebt haben, kann es sich nur um Kunst handeln. Und in der Tat: Für den Sommer hat sich die Stadt die Kunstaktion "Erkundungen: Orte-Plätze-Räume" ausgedacht und der Münchner Künstler Christian Schnurer, Jahrgang 1971, ist einer von fünfen, der sich unter 170 Bewerbern mit seiner Arbeit "Transport a Smell of Revolution" durchsetzen konnte.
Ziemlich viel Aufwand für verbeultes, verbranntes und verrostetes Blech. Kunst halt. Foto: Achim Manthey
Über den Hintergrund der Aktion klärt ein Plakat am Tatort auf. Der einst fahrbare Untersatz gehörte einem jungen tunesischen Polizisten. Bei der nach der Nationalblume Tunesiens benannten "Jasminrevolution", die im Dezember 2010 begonnen hatte, kam es landesweit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die schließlich zur Vertreibung des langjährigen Präsidenten Ben Ali führten. Bei Ausschreitungen in der Stadt Sidi Bouzid im Januar 2011 griffen Demonstranten das örtliche Polizeirevier an und setzten dabei auch die Privatwagen der Beamten in Brand. Christian Schnurer hatte von der Geschichte gehört, nahm Kontakt zu einem der Opfer auf, unterhielt sich mit ihm und nahm die Gespräche auf Band auf. Sie werden nun im Wrack abgespielt, das der Künstler unter erheblichem Aufwand und mit einiger Mühe über Tunis, Genua, Mailand und St. Moritz nach München schaffte, um es temporär als eine Art Mahnmal an exponierten Orten zu plazieren. Er will die Bilder von Ereignissen und Lebensumständen, die man in unseren Breiten meist nur aus den Medien kennt, ins tägliche Bewusstsein rufen. Man sieht. Vom Duft der Revolution allerdings ist nichts zu riechen.
Schon seltsam, wenn gleichzeitig ein paar Meter weiter auf diese Weise das tägliche "Transport a Smell of Chanel" zelebriert wird. Foto: Achim Manthey
Die Situation dieses in unmittelbarer Nähe zu Prunk und Protz aufgestellten Schrotthaufens ist seltsam, skuril, beklemmend und wird krass, wenn nur einige Schritte weiter mit Luxuskarrossen der alltägliche "Transport a Smell of Chanel" aufgeführt wird - leider weitaus geruchsintensiver und raumübergreifend. Immerhin: Kinder haben ihre erkennbare Freude an dem Spielzeug und für Touristen bietet sich ein besonderes Fotomotiv. Andere Flaneure ziehen kopfschüttelnd und mit gerümpfter Nase daran vorbei. Auch das ist legitim. Dauert ja auch nicht mehr lang.
Bis zum 29. August 2013 vor dem Haus Maximilianstraße 20 in München, jederzeit anzusehen.