Deutscher Tanzpreis für Ivan Liška: Noch immer Sehnsucht nach dem Meer

von Isabel Winklbauer

Der tschechische Tänzer Ivan Liška emigrierte 1969 aus seiner Heimat, Foto: Bettina Stöß

Bevor er 1998 die Leitung des Bayerischen Staatsballetts übernahm, tanzte er wichtige Rollen in Düsseldorf, München und Hamburg. Heute wird Ivan Liška mit dem Deutschen Tanzpreis geehrt. Um mehr über den Preisträger zu erfahren, schickte ihm Kulturvollzug Marcel Prousts (leicht modifizierten) Fragebogen.

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem  weiten endlosen Meer“

Zum zehnjährigen Jubiläum als Direktor des Bayerischen Staatsballetts nach seinen Prinzipien gefragt, antwortete Ivan Liška mit diesem Satz von Antoine de Saint Exupéry. Liška ist als Kompaniechef kein choreografierender Narzisst, er ist ein Romantiker. Aber einer mit Weitblick, denn wie niemand vor ihm folgt er dem in Bayern so erfolgreichen Konzept von Laptop und Lederhose – beziehungsweise dem von Spitzenschuh und Szene, übersetzt man es in die Ballettwelt. Unter ihm wurde das Bayerische Staatsballett weltberühmt für ihr breit gefächertes Repertoire auf starker, klassischer Basis.

Ivan Liška in "Old Man", Foto: Wilfried Hösl

Ivan Liška tanzt auch immer noch selbst, zum Beispiel in „The Old Man and Me“, die Sehnsucht nach dem Meer lässt ihn nicht los. Der 61-Jährige ist nun 14 Jahre im Amt, so lange wie nie ein Münchner Ballettdirektor zuvor. Sein Vertrag läuft derzeit bis 2016, sein Verhältnis zu Intendant Nikolaus Bachler gleicht nach wie vor wie jenem, das auch Kent Nagano zu dem rustikalen Österreicher hatte. „München braucht einen unabhängigen Ballettintendanten“, lautet Liskas Ziel für die Zukunft.

Heute zeichnet der der Berufsverband für Tanzpädagogik den gebürtigen Tschechen mit dem Deutschen Tanzpreis aus. Nach der Zeremonie im Essener Aalto Theater steht Liška in einer Reihe mit Größen wie Marcia Haydée, Hans van Manen, John Neumeier und William Forsythe. Zur Feier des Tages legte Kulturvollzug dem Preisträger Marcel Prousts (leicht modifizierten) Fragebogen vor.

Was ist für Sie das vollkommene, tänzerische Glück?

Der Sog, den ein Tänzer durch Verschmelzung von Form und Inhalt erzeugt.

Welche Fehler entschuldigen Sie Ihren Ensemblemitgliedern am ehesten?

Solche, die aus Übereifer geschehen.

Was ist für Sie das größte Bühnen-Unglück?

Unfall auf offener Bühne. Wie schon erlebt.

Ihr liebster Ballettcharakter?

Die großen Männerrollen in Neumeiers Mahler-Balletten

Der/die beste Tänzerin aller Zeiten?

Ich kenne nicht alle Zeiten, aber von den Tänzern, die ich kenne: Rudolf Nurejew, wegen seiner Unbedingtheit.

Der/die Beste Choreograf(in) aller Zeiten?

Gibt es nicht, geht nicht.

Die beste Ballettbühne der Welt?

Wegen der idealen Maße und der in den Zuschauerraum ragenden Bühne: Das Mariinsky Theater in St. Petersburg.

Ihr persönlicher Lieblingschoreograf außer John Neumeier?

José Limón

Ihr Lieblingskomponist?

Leoš Janáček

Ihr absolutes Lieblingsballett, das Sie noch weitere 50 Mal sehen wollen?

„Große Fuge“ in der Choreographie von Hans van Manen

Welche Eigenschaften schätzen sie bei einer Tänzerin/einem Tänzer am meisten?

Wahrhaftigkeit, Mut und Demut.

Ihre Lieblingsbeschäftigung an Arbeitstagen?

Mit den Tänzern im Ballettsaal proben

Wer oder was hätten Sie gern sein mögen, wenn nicht Tänzer?

Im 10. Lebensjahr: Landvermesser, im 13. Lebensjahr: Semantiker

Ihr größter Fehler?

Sturheit (sagt die Umgebung!?)

Was stört Sie in der Tanzwelt am meisten?

Kaisers neue Kleider…

Welche natürliche Gabe wollten Sie immer besitzen?

Schwarze Löcher zu begreifen.

Wie möchten Sie gern sterben?

Zu viel gefragt

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?

Munter, hell

Ihr Motto?

Jeder ist der Schöpfer seines Glückes.

Veröffentlicht am: 04.02.2012

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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