Thomas Ruff im Haus der Kunst: Er greift nach den Sternen, denn nichts ist wirklich
Ein Sehnsuchtsort. "11h 12m / -35°" 1989 aus der Serie "Sterne" (Diasec, C-print 260 x 188 cm) © VG Bild-Kunst, Bonn 2011
Als Lieblings-Webadresse nennt er die Nasa-Homepage: Hoch aufgelöste Bilder vom Mars sind seine jüngste Leidenschaft. In der Werkserie „m.a.r.s.“ bearbeitete Thomas Ruff 2011 Aufnahmen, die eine Sonde seit 2005 vom Nachbarplaneten sendet. Und es ist schwer, sich der Wirkung dieser überirdisch schönen Landschaften mit Kratern, Furchen und Wolkenfeldern im Großformat zu entziehen. Jetzt zeigt das Haus der Kunst diese faszinierenden Bilder aus der Zukunft in der umfassendsten Ruff-Ausstellung seit zehn Jahren.
Man muss kaum erwähnen, dass der Foto-Künstler (geboren 1958) aus dem Schwarzwald zu den bedeutendsten Protagonisten der Düsseldorfer Schule gehört. Mit seinen Studienkollegen Andreas Gursky und Thomas Struth ist er einer der so genannten „Struffskys“, die seit den Nuller-Jahren international höchst gefragt sind.
Nach dem Abitur dachte Ruff kurzfristig daran, Astrophysik zu studieren, entschied sich dann aber doch für das Studium der Fotografie bei Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie. Als Fotograf hat er sich inzwischen abgeschafft, stattdessen eignet er sich vorgefundenes Bildmaterial an, das er digital bearbeitet. Ob die fast gegenstandslosen Aufnahmen der Raumsonde „Cassini“ oder seine hochformatigen Himmelsbilder – Ruff greift zu den Sternen, ohne sich zu vergreifen.
Aber auf der Suche nach dem ganz Erhabenen verlor er sich im Word Wide Web zwischenzeitlich schon mal auf Hardcore-Porno-Seiten. Seine von Thumbnails hochgepixelten und darum leicht verschwommenen „Nudes“ (seit 2000) sollen irgendwie andere Akte sein - und sind dafür doch nicht unscharf genug.
Unscharf. Unscharf genug zum anders sein? - "nudes yv16", 2000 aus der Serie "nudes" (C-print gerahmt 157 x 112 cm) © VG Bild-Kunst, Bonn 2011
Die von Thomas Weski gastkuratierte Schau bietet den Überblick über 17 Werkserien, darunter etwa die großformatigen Porträts (1986), die Ruff bekannt gemacht haben. Damals wurde ihm klar, dass sich der „Wirklichkeitsgehalt der Fotografie“ bei allem Willen zum Dokumentarischen in Grenzen hält. Seine Kunst ist eben immer auch Reflexion über das Medium. Darum bemühte er sich um eine möglichst neutrale Abbildung der Gesichter – lange bevor das biometrische Passbild erfunden wurde.
Thomas Ruff mag als Person bescheiden auftreten, als Künstler neigt er zum Größenwahn. Das Haus der Kunst nennt er „eine der schönsten Ausstellungsstätten Deutschlands“. Seine Monumentalformate sehen in den kolossalen Sälen grandios aus – mitunter mehr als ihnen gut tut. Das Spannende an dieser Präsentation ist, dass man beobachten kann, wie Ruff immer neue Bildwelten generiert. Aber manchmal wirkt das Ergebnis nur wie hochpreisige Dekoration. So kann man sich den abstrakten Chic der „Zycles“ und die pop-bunten „Substrate“ ein bisschen zu gut im Foyer einer Konzernzentrale vorstellen.
Allen Arbeiten gemeinsam ist, dass sie aus einer Perspektive heraus entwickelt wurden, die auf maximale Distanz setzt. So wirken die akkuraten frühen „Interieurs“ und auch die „Häuser“ wie Eindrücke eines Außerirdischen, der sich auf den Planeten Erde verirrt hat. „Maschinen“ beäugt er wie fremde Wesen, und durch das Nachtsichtgerät wird in „Nächte“ auch die vertraute Umgebung zum gefährlichen Terrain. Dagegen erscheint das All als Sehnsuchts-Ort, wohin sich Thomas Ruff mit ein paar Mausklicks immer wieder beamt. Man kann sich den Künstler dabei als ein glückliches grünes Männlein vorstellen.
Im Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, zu sehen bis zum 20. Mai 2012 (Mo bis So 10 bis 20 Uhr, Do bis 22 Uhr)