Augsburger Puppenkiste vor TV-Comeback

Auch der Seehofer-Zwerg wartet auf das neue Lummerland

von Angelika Kahl

Politische Marionetten: Horst Seehofer und Wolfgang Schäuble hängen in der Luft (F: Angelika Kahl)

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) will die Augsburger Puppenkiste wieder im TV sehen. Und BR-Intendant Ulrich Wilhelm lässt neue Formate mit den kultigen Figuren prüfen. Theater-Chef Klaus Marschall freut sich und erklärt, dass er bereits „viele verschiedene Ideen“ für etwas ganz Neues habe.

Ganz schön schlaff hängt er da hinter der Bühne herum: Horst Seehofer, der auf seinen Auftritt wartet. Vielleicht missfällt ihm aber auch nur, dass er heute mal nicht die Hauptrolle spielen darf. Oder hat er etwa gehört, dass Klaus Marschall ihn gerade einen Zwerg genannt hat? „Lieblingszwerg von Angela Merkel“ hat der gesagt. Ausgerechnet über Seehofer, den Riesen. Gegen Marschall aber kommt selbst der bayerische Ministerpräsident nicht an. Denn der Augsburger hat den Strippenzieher in der bayerischen Politik einfach selbst zur Marionette gemacht.

"Schneemuttchen und die sechs Zwerge" ist das kabarettistische Programm der Augsburger Puppenkiste, in dem sich Seehofer noch bis Ende Juni unter anderem mit Muttchen Merkel und den „Oppositionszwergen“ Steinbrück, Trittin und Gysi herumschlagen muss. Puppenkisten-Chef Marschall hat das Stück für Erwachsene an vier Abenden in der Woche im Programm.

420 Vorstellungen - 95 Prozent Auslastung

Aber es sind natürlich vor allem die kleinen Zuschauer, die Klaus Marschall, Enkel des Puppenkisten-Gründers Walter Oehmichen, mit seinen Aufführungen erreichen will. Und das gelingt ihm auch 64 Jahre nach der Gründung des berühmten Puppentheaters: Im vergangenen Jahr konnte er  eine Auslastung von 95 Prozent verzeichnen – bei insgesamt 420 Vorstellungen.

Bald auch wieder auf dem Bildschirm? (F: Angelika Kahl)

 

Kaum einer, der die Puppenkiste nicht kennt. Auch weil die Augsburger Marionetten, allen voran Jim Knopf und Urmel, als TV-Stars ein Millionenpublikum hatten. Heute allerdings leben beide im Museum der Augsburger Puppenkiste. 1999 ließ die ARD Jim Knopf und Lukas, den Lokomotivführer, zum letzten Mal mit Emma über die kleine Insel Lummerland fahren. Seither verstauben die Geschichten im Archiv, die Lizenzen sind ausgelaufen. Denn auch der Kinderkanal (KiKa) zeigt kein Interesse an den berühmten Holzköpfen, die 1961 Fernsehpremiere hatten. Ebenso wenig an neuen Produktionen.

Zu langsam, zu behäbig – Puppentheater entspräche heute einfach nicht mehr den Sehgewohnheiten der Kids, behaupten viele TV-Verantwortliche. Marschall schüttelt nur den Kopf. „Das Marionettentheater funktioniert auch heute noch“, sagt er bestimmt. „Das wissen wir, weil immer noch viele Kinder zu uns kommen.“ Darüber hinaus biete das Figurentheater etwas, das weder Fernsehen noch Kino leisten könnten. „Der Zuschauer muss die Bilder im Kopf vervollständigen“, sagt Marschall.

Kreativität und Fantasie würden gefordert und gefördert. „Früher haben Eltern ihren Kindern Geschichten erzählt oder ein Buch vorgelesen“, so der Theater-Chef. „Heute setzen sie schon die Kleinsten vor den Fernseher und lassen sie vom Programm berieseln und einlullen.“ Unverständlich für Marschall, der bereits erwachsene Kinder hat. Bis zu 80 Stunden die Woche arbeitet er im Auftrag der Fantasie, die Leitung des Theater ist aber auch immer ein finanzieller Kampf. 16 festangestellte Puppenspieler beschäftigt er. Ohne Unterstützung von der Stadt Augsburg, dem Freistaat und privaten Sponsoren ginge es nicht.

Puppenkiste im BR: Ein Format für Erwachsene?

Aber ohne Puppentheater ginge es für Marschall auch nicht. Die Figuren – viele kennt er bereits seit seiner Kindheit – gehören für ihn schon fast zur Familie. Seine Lieblingsmarionette ist der Kasperl. Mit ihm redet er auch regelmäßig vor der Vorstellung. „Ich sag’ ihm dann immer, dass er sich bitte schön etwas anstrengen soll“, erzählt Marschall und lacht. „Wenn der Kasperl nicht mag, dann geht’s auch nicht.“ Denn ist der Kasperl grantig, verheddern sich schon mal die 2,20 Meter langen Fäden, an denen er hängt.

Fährt Emma bald wieder duch Lummerland - mit Seehofer als Passagier? (F: Angelika Kahl)

 

Gerade ging die Sonderausstellung zum zehnjährigen Bestehen des ans Theater angegliederten Puppenkisten-Museums zu Ende. Die neue Schau beschäftigt sich mit 200 Jahren Hausmärchen der Gebrüder Grimm – mit Leihgaben aus aller Welt. Aber natürlich kann die Puppenkiste auch auf einen riesigen eigenen Fundus zurückgreifen. Seit der Eröffnung 1948 standen über 50 Mal Grimm’sche Märchen auf dem Spielplan: Hänsel und Gretel, Schneewittchen, Dornröschen oder der Froschkönig. Viele der Figuren hat noch Marschalls Mutter Hannelore Marschall-Oehmichen geschnitzt.

Urmel und Jim Knopf sind noch zeitgemäß

Vor einigen Tagen war die Eröffnung der Ausstellung „...dann leben sie noch heute!“ Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) war angereist, um das Grußwort zu sprechen. Der Politiker ist selbst ein großer Puppenkisten-Fan. Vor Kurzem hatte er sich für eine Rückkehr der Augsburger Marionetten ins TV stark gemacht – zur großen Freude von Marschall. Denn auch Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, hatte daraufhin betont, dass er die Augsburger Puppen wieder auf den Bildschirm bringen möchte. Zum einen habe er bei der KiKa-Programmkommission angeregt, die Puppenkiste wieder ins Programm zunehmen. „Die Figuren sind Klassiker“, so Wilhelm, „und die liebevolle Umsetzung spricht meiner Meinung nach auch die Kinder von heute an“.

Darüber hinaus aber will  Wilhelm prüfen lassen, ob der BR eigene Formate mit der Augsburger Puppenkiste entwickeln kann. Ein erstes Gespräch zwischen BR und Marschall fand bereits statt. „Es gibt von beiden Seiten den festen Willen dazu“, bestätigt Marschall. Dabei werde auch über Formate mit ganz neuem Zuschnitt nachgedacht. Denn eines sei klar, gibt Marschall zu bedenken. „Die klassischen vierteiligen Puppenkisten-Geschichten à 30 Minuten sind heute nicht mehr drin. Da müssen es ja mindestens gleich 13, 26 oder gar 52 Folgen sein.“ In diesem Umfang aber sei das für die Puppenkiste nicht zu stemmen.

Neue Formate, neuer Zuschnitt – und vielleicht auch ein neues Zielpublikum? „Wir haben viele Ideen“, gibt sich Marschall noch bedeckt. Aber ja, eine davon sei tatsächlich gemeinsam mit dem BR etwas im Erwachsenenbereich zu machen, sagt er.

Und was war das? Kommt da nicht plötzlich etwas Leben in den Puppen-Seehofer? Vielleicht haben Marschall und sein Lieblings-Kasperl ja mit ihm schon darüber geredet.

Veröffentlicht am: 07.05.2012

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