"Die müssen wissen, worauf sie sich eingelassen haben" - Zehra Spindler hat ein neues Zuhause
Planen gemeinsame kulturelle Verstaltungen: Zehra Spindler und Helmut Bauer vom Stadtmuseum Foto: Florian Haamann
Das Puerto Giesing hat sich in den vergangenen Monaten zum Synonym für Münchner Subkultur entwickelt. Unumstritten war es nicht. Anfang Dezember ist der Mietvertrag ausgelaufen - seitdem wurde hinter den Kulissen fleißig nach einem neuen Zuhause für die freie Kulturszene gesucht. Und siehe da: Schon kommende Woche wird Zehra Spindler es einweihen. Wo? - Wir haben mit ihr darüber gesprochen.
Kulturvollzug: Anfang vergangener Woche ist ein Interview in der "tz" zum Ende von Puerto Giesing erschienen. Interessant war dabei nicht das Interview, sondern die Kommentare auf der Homepage dieser Zeitung. Vor allem die Tatsache, dass der Großteil davon gelöscht werden musste, weil die Inhalte wohl verleumderisch und bösartig waren. Warum reagieren die Leser des Boulevards da offenbar so heftig?
Zehra Spindler: Ich genieße es schon seit längerem, die Kommentare der "tz" zu lesen. Das ist wie Schundliteratur, und die kann ja auch ihren Reiz haben. Ich kann einfach nur empfehlen, die Kommentare mal zu lesen, das ist schon fast eine eigene Kunstrichtung. Patrick Gruban (Veranstalter der Nerd Nite, Anm. d. Red.) und ich haben schon überlegt, ob wir nicht mal eine Performance oder Lesung mit den Kommentaren machen. Wäre bestimmt lustig.
Nachdem der Vertrag für das Hertie-Kaufhaus ausgelaufen ist, haben Sie einige Vorschläge für ein neues Zuhause bekommen. Was war da alles dabei?
Es gab keinen zweiten Hafen, kein Kaufhaus oder irgendetwas ähnlich großes. Konkret kann ich auch eigentlich nichts sagen, ich war bei vielen Gesprächen nicht dabei, weil ich bis zum Schluss beim Puerto Giesing involviert war. Aber wir schauen halt einfach, wie dieses Konglomerat, zu dem wir während der Zeit im Puerto geworden sind, woanders adäquat weitermachen kann. Ich bin auch nicht dazu gekommen aktiv zu suchen, aber es kommen immer wieder Leute auf uns zu und bieten uns irgendwelche Geschichten an. So wie eben auch die Leute vom Kongress (ehemals Registratur, Anm. d. Red.).
Und die haben Ihnen ein Angebot gemacht, dem Sie nicht wiederstehen konnten...
Ja, und jetzt ist es auch ganz konkret, am Freitag wurden die Verträge unterschrieben. Ab kommendem Donnerstag geht’s für uns erstmal im Stadtmuseum weiter.
Wie ist es denn dazu gekommen?
Das Stadtmuseum ist auf das Team vom Kongress zugegangen und hat denen eine Kooperation angeboten. Genauer: am Abend das Stadtmuseum zu bespielen. Es gibt dort ja schöne Räumlichkeiten und es ist insgesamt ein ziemlich toller Ort.
Und wie sieht die Kooperation jetzt konkret aus?
Ähnlich wie schon im Puerto Giesing soll ein vielfältiges Programm entstehen. Also schon auch Partys und was zum Tanzen, aber auch immer wieder kulturelle Veranstaltungen.
Mein Steckenpferd, die schwer verdaulichen Geschichten, soll auf jeden Fall auch einen Platz bekommen. Es gibt ja wieder genug Raum zum Experimentieren und Austoben. Das war der Grund, warum die Leute vom Kongress auf uns zugekommen sind. Uns, das heißt, das Team From Hell und München 852. Wir gehören ja seit Puerto Giesing quasi schon zusammen. Dazu kommen jetzt noch die Jungs von Chromemusik.
Wie lange werden Sie jetzt im Stadtmuseum bleiben und wie viel Platz bekommen Sie?
Der Vertrag läuft erstmal für zwei Monate. Ähnlich wie beim Puerto Giesing, das am Anfang ja auch erst für drei Monate geplant war. Für diese Zeit bekommen wir zwei Räume im Stadtmuseum.
Im Puerto Giesing waren Sie alleine, hatten ein ganzes Kaufhaus für sich. Wenn Sie jetzt in eine Institution wie das Stadtmuseum ziehen, beschneiden Sie sich da nicht selbst?
Nein. Das ist ja gerade der Reiz, wir schauen einfach was passiert. Wir sind Teamplayer und wir sind es ohnehin schon gewohnt, uns den Umständen und den Räumlichkeiten anzupassen. Außerdem kooperieren wir ja recht gerne. Nicht so meins wäre, wenn wir völlig autark vom Stadtmuseum laufen würden. Ich möchte schon Bezüge herstellen, Schnittstellen mit dem Museum haben. Nicht nur Party, sondern schauen, was läuft denn da unten und wie kann man das möglicherweise integrieren.
Aber sehen Sie gar nicht die Gefahr, dass Sie ihre Freiheit verlieren? Immerhin müssen Sie sich jetzt sicher an Regeln halten, Ordnungen befolgen und bestimmte Zeiten einhalten.
Erstmal müssen ja die vom Museum wissen, worauf sie sich da eingelassen haben. Sie sind ja quasi auf uns zugekommen. Und ich sehe auch nicht so die Gefahr, wir geben uns ja praktisch die Klinke in die Hand. Es ist nicht geplant, dass wir tagsüber irgendwelche Sachen machen. Das Stadtmuseum hat dann also zu, und die Leute gehen auf unsere Veranstaltung. Natürlich sind da Dinge, die man im Vorfeld geklärt hat, damit dann am nächsten Tag der Museumsbetrieb laufen kann. Ich sehe es wie in einer guten WG, da ist es ja auch eine Selbstverständlichkeit, dass man sich abspricht und sich gegenseitig etwas Gutes tut.
Ein bisschen hört sich das so an, als ob das Stadtmuseum versucht, seinen momentanen Ruf als eher unhippes Museum durch eure Zwischennutzung zu verbessern.
Dann bin ich wahrscheinlich auch unhipp, denn ich finde das Stadtmuseum einen der attraktivsten Orte in München. Ich halte mich dort gerne auf und kann die aktuelle Ausstellung (Roger Ballen Anm. d. Red.) nur empfehlen.
Was das Stadtmuseum sich dabei marketingtechnisch gedacht hat, kann ich nicht sagen. Mag sein, dass sie sich eine jüngere Zielgruppe erschließen wollen, aber das ist ja auch legitim. Für uns ist es auf jeden Fall eine Bereicherung und hoffentlich auch für das Stadtmuseum.
Am Donnerstag soll schon die erste Veranstaltung in den neuen Räumen stattfinden. Was ist geplant?
Zuerst findet im Foyer eine Vernissage anlässlich der Herlinde-Koelbl-Ausstellung statt. Im Anschluss daran, um 22 Uhr, übernehmen wir dann mit einer Party. Da die Kapazitäten nicht mit denen im Puerto vergleichbar sind, wird man sich über eine Facebook-Einladung anmelden müssen. Alle, die dort eingetragen sind, kommen dann auch rein. Auflegen werden DJs vom Kongress, von Gomma und Superrookie. Die erste große Veranstaltung wird dann an Silvester stattfinden. Unter dem Titel "One nation under a Viertel" übergibt das Puerto Giesing den Stab dann offiziell ans Stadtmuseum.
Das Projekt im Stadtmuseum soll nicht Puerto Giesing reloaded werden. Also braucht ihr auch einen neuen Namen. Gibt’s da schon Ideen?
Wir haben natürlich schon lange darüber nachgedacht und bis Donnerstag haben wir ja auch noch massig Zeit. Jeder hat schon so seine Favoriten, aber es steht noch nichts fest. Die einen bevorzugen englische Namen wie zum Beispiel „Museum at Night“, ich mags eher neutral, etwa „Nachtmuseum“. Dann gibt's da noch ein paar Wortspielereien, die ich sehr gut finde und von denen es hoffentlich eines wird.
Und hier die ersten Fotos der beiden Räume im Stadtmuseum (Copyright: Florian Haamann)