Festivals Tanzwerkstatt und "Dance"

Kulinarik für die Augen - Eine Vorschau

von Isabel Winklbauer

Die Candoco Dance Company (Foto: Hugo Glendinning)

Münchens große Tanzfestivals, die Tanzwerkstatt Europa und "Dance" nehmen endgültig Abschied von zu introvertierten Selbstfindungsszenerien. Stattdessen sollen die Zuschauer etwas zu sehen bekommen: Erstaunliches und Hochwertiges, Poetisches und Witziges.

Wenn am 2. August 2012 die Candoco Dance Company die Tanzwerkstatt eröffnet, geht es schon mit etwas Besonderem los: In der Truppe tanzen behinderte und nicht behinderte Tänzer Trisha Browns „Set and Reset/Reset“ aus dem Jahr 1983. Der Schwerpunkt des Festivals ist diesmal die Auseinandersetzung mit Geschichte und Geschichten im Tanz – also auch mit Neuinterpretationen, Rekonstruktionen und der Frage nach dem Original. Trisha Browns Klassiker stellt Walter Heun, Chef des Veranstalters Joint Adventures, beispielsweise ein aktuelles Stück des Franzosen Rachid Ouramdane entgegen. Doch auch Xavier Le Roy, ständiger Entdecker auf der Suche nach Neuem, ist zu Gast. Der Franzose setzte 1998 mit „Self unfinished“ einen Meilenstein, war zuletzt mit seinem Dirigierstück „Le Sacre du Printemps“ in München zu sehen. Nun interpretiert er alles Gewesene mit seinem neuen, vom Butohtanz inspirierten Abenteuer „Product of other circumstances“.

Abenteurer Xavier Le Roy (Foto: Luc Fleminck)

Martin Nachbar, Olga de Soto, Hiroaki Umeda, Lance Gries und Sabine Glenz stehen ebenfalls auf dem Plan. Der Blick der beteiligten Performer zurück aufs Wesentliche wird aber vermutlich trotzdem nichts daran ändern, dass unzählige internationale Besucher wegen der Workshops kommen, die während der Tanzwerkstatt traditionell angeboten werden. Amateure und Profis trainieren wieder zehn Tage lang bei großen Namen, diesmal unter anderem Sabine Aughterlony, Goran Bogdanovsky und Kapela Marna.

„Die Vernetzung in die Welt hinein wird mit einem neuen Team auf neue Füße gestellt“, kündigte Kulturreferent Hans-Georg Küppers dagegen auf der Pressekonferenz für "Dance" an. Seit langer Zeit betreut heuer wieder ein Zweierteam das Festival, das München eigentlich auf der ganzen Welt als Tanzstadt bekannt machen soll und in den letzten Jahren diesen Anspruch nie so recht erfüllte. Zu viele unbedeutende Produktionen verwässerten das Profil. Nina Hümpel, Herausgeberin von www.tanznetz.de, und Dieter Buroch, Intendant am Frankfurter Mousonturm, setzen nun nach eigenem Bekunden nicht auf Kopfkunst sondern auf Kulinarik für die Augen. „Früher wirkten die Themen oft etwas verquast“, erklärte Küppers. „Diesmal heißt die verbindende Klammer Qualität“.

Nicht Nawa Shibari, sondern Marie Chouinards "Body Remix / Goldberg Variations" (Foto: Marie Chouinard)

Zeigen was wichtig ist, lautet das offizielle Motto – und auf dem vorläufigen Programm, das sich einerseits auf das „Flämische Tanzwunder“, andererseits auf „Männer“ konzentriert, stehen so große Namen wie Wim Vandekeybus, Anne Teresa De Keersmaeker und Jan Fabre. Richard Siegal ist mit einem neuen Solo namens „Black Swan“ vertreten, Antony Rizzi lässt in „An attempt to fail at groundbreaking theatre“ die Kunstlegenden Pina Bausch, Jack Smith und Penny Arcade wieder auferstehen.

Abgesehen vom skurrilen Testosteron-Stück der Truppe Kopergietery Gent, „Chicks for Money and nothing for free“, dürfte das Sternemenu für die Augen aber wohl Marie Chouinard liefern: Ihre Tänzer führen in der BMW-Welt „Body Remix / Goldberg Variations“ auf, ein Stück, das mit Krücken und Hilfsmitteln den Spitzentanz dekonstruiert, gleichzeitig aber auf faszinierende Weise Neues schafft.

Jan Fabres Todespoesie "Preparatio Mortis" (Foto: Jan Fabre)

Erstmals wurde auch das Café im Müllerschen Volksbad zum Basislager von "Dance" erklärt – das Festival soll menschlicher und nahbarer werden. Während der Performancetage werden im ehemaligen Stör Rezepte von Choreografen nachgekocht und serviert, am letzten Tag sollen die Zuschauer sogar ein Kochbuch erstehen können. Die Gurkensuppe und der Cranberry-Limejuice-Cocktail von Antony Rizzi, die bei der Programmverkündung gereicht wurden, schmeckten schon mal vorzüglich.

Tanzwerkstatt Europa, 1.-11.8.2102,Veranstaltungsorte Tonhalle, Schwere Reiter, iCamp. Infos: www.jointadventures.net

DANCE, 25.10.-4.11.2102., Veranstaltungsorte Muffathalle, Gasteig, Schwere Reiter, iCamp, BMW Welt, Kammerspiele, Schauburg, Residenztheater. Infos: www.dance2012.de

Veröffentlicht am: 10.07.2012

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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