Hacking Wagner bei den Opernfestspielen

"U-Boote dürfen die Deutschen liefern, aber keinen Wagner"

von Volker Boser

Provokation ist Ehrensache. Foto: Wilfried Hösl

Es ist ein schier unerschöpfliches Thema: Warum tut man sich in Israel so schwer, die Musik Richard Wagners zu akzeptieren? Saar Magal fand die nicht enden wollende Diskussion darüber offenbar so interessant, dass sie beschloss, dazu einen Theaterabend beizusteuern: „Hacking Wagner“ nennt sie ihre Performance, die jetzt von der Bayerischen Staatsoper als Teil des „Rund um den Ring“ -Programms der Münchner Opernfestspiele im Haus der Kunst uraufgeführt wurde.

Provokation Ehrensache: In der ersten halben Stunde gab es Video-Projektionen mit den unterschiedlichsten Statements zu bestaunen. Barry Kosky, der neue Intendant der Komischen Oper Berlin, bekannte, dass ihn das Bayreuther Festspielhaus an eine Kirche von Scientology oder einen Mormonentempel erinnere und der Alberich im "Rheingold" für Wagner die "Vorstellung eines Juden" gewesen sei. Zubin Mehta sieht das naturgemäß anders. Der Dirigent Asher Fisch, erst unlängst mit dem Versuch gescheitert, ein Wagner-Konzert in Israel zu organisieren, fasste  die Befindlichkeiten zusammen: "U-Boote dürfen die Deutschen liefern, aber keinen Wagner."

Derart eingestimmt, harrten die Besucher gespannt der Dinge, die der israelischen Choreographin eingefallen waren, um Licht ins Dunkel zu bringen. Die Ausbeute hielt sich in Grenzen: Sechs Tänzer mischten sich unter das Publikum, durchstreiften den Raum, redeten miteinander, gaben sich harsch und herrisch.

Aggressiver Widerstand zu Wagner-Klängen. Foto: Wilfried Hösl

Irgendeiner der Video-Diskutanten hatte darauf verwiesen, dass auch der VW-Käfer nationalsozialistischen Ursprungs sei – also wurde ein Exemplar in den Saal gefahren: Für die Akteure Anlass, eine Vielfalt an Varianten des aggressiven Widerstands vorzuführen. Moritz Gagerns clever verfremdete Wagner-Klänge heizten die Stimmung an. "Hacking Wagner", gut gemeint aber bis dahin ziemlich dröge, mauserte sich endlich zum munteren Happening.

Nur einmal, für fünf Minuten, ließ sich Saar Magal in die Karten blicken. Da durften die Tänzer zackige Führer-Gestik parodieren, und vom Band erklang – nein, nicht Wagner,  sondern das "Wiegenlied" von Richard Strauss. Das wäre dann eine weitere Geschichte: Denn der Komponist des "Rosenkavalier" und anderer hübscher Musik war schließlich zeitweilig Präsident der Reichsmusikkammer und wurde ebenfalls lange Jahre in Israel boykottiert. Mit ihm hat man inzwischen seinen Frieden gemacht. Der andere Richard muss darauf noch warten.

Veröffentlicht am: 01.08.2012

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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