"Don Giovanni" in Augsburg

Ein Krisperl auf dem Weg zur Hölle

von Volker Boser

Dong-Hwan Lee (Leporello), Giulio Alvise Caselli (Don Giovanni), Erich Payer (Der Tod), Foto: A.T. Schaefer

Opern, in denen die Akteure den Schluss nicht erleben, weil sie an Herzeleid gestorben sind oder böse gemeuchelt wurden, mit einer stummen, schwarz gekleideten Gestalt zu bereichern - diesen Einfall hat das Theater Augsburg längst nicht mehr exklusiv.

In der Neuinszenierung von Mozarts "Don Giovanni" öffnet sich gleich zu Beginn eine Grabplatte, aus der - Furcht erregend - der Boandlkramer steigt. Erich Payer nutzt seine Chance, schreitet bedeutungsschwanger über die Bühne, hebt die Arme, zieht eine Fratze und beherrscht fortan diesen makabren Tanz der Gespenster.

Regisseur und Ausstatter Patrick Kinmonth erzählt eine weder sonderlich erotische, noch allzu romantische Gruselgeschichte um einen lustvollen Grenzgänger, der sich in Ausgburg allerdings nur mit sehr viel Wohlwollen als jener Bösewicht outen lässt, den Mozart und Textdichter Lorenzo Da Ponte im Sinn hatten. Giulio Alvise Caselli ist in der Titelpartie eindeutig fehl am Platz. Dieses harmlose Krisperl soll allein in Spanien 1003 Frauen vernascht haben?

Dong-Hwan Lee (Leporello), Giulio Alvise Caselli (Don Giovanni), Vladislav Solodyagin (Commendatore), Foto: A.T. Schaefer

Die düstere Atmosphäre beeindruckte indessen: Silhouetten von einigen wenigen Zypressen, ein Grabmal im Lagunenwasser - dieses Venedig dümpelt fahl und bleich seinem Untergang entgegen. Mozarts Musik wirkte dazu fast wie ein Kontrastprogramm: Augsburgs GMD Dirk Kaftan hatte mit dem Orchester tüchtig geprobt, die kapriziösen Tempi überzeugten allerdings nicht immer, Charme fehlte, die Unterstützung der Sänger ließ zu wünschen übrig. Sophia Christine Brommer (Donna Anna), vor kurzem beim Münchner ARD-Wettbewerb ausgezeichnet, wurde mächtig gefeiert, was sich nicht so recht nachvollziehen ließ. Stephanie Hampl musste als Elvira eine kurzsichtige, neurotische Zicke mimen. Leporello (Dong-Hwan Lee), stimmgewaltig, souverän, kämpfte aufopferungsvoll gegen sein albernes Chinesenkostüm.

Ottavio (Christopher Busietta) mag traurig gewesen sein, dass man ihm die zweite Arie gestrichen hatte. Prachtvoll die Dominanz des Commendatore (Vladislav Solodyagin). Hochachtung aber vor allem vor der Solidarität der mit Augsburg befreundeten Bühnen in Paris, Nancy, Nizza und Stuttgart: Sie hatten die Kostüme zur Verfügung gestellt.

Nächste Vorstellungen am 12., 14, 19. Oktober 2012.

Veröffentlicht am: 05.10.2012

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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