Nick Hermanns und das Meer

Maritime Bilder mit Störungen

von Achim Manthey

o.T. (c) Nick Hermanns 2011/12

In der Ausstellung "Ans Meer - Sehstücke und Mehrblicke" zeigt der Fotograf Nick Hermanns Fotos jenseits der Postkarten-Romantik.

Nick Hermanns stand am Meere/und seufzte lang und bang/es rührte ihn so sehre... Ja, was eigentlich? Der Sonnenuntergang, der das Fräulein in dem Gedicht von Heinrich Heine aus dem Buch der Lieder so mitgenommen hat, kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Denn der kommt in der Ausstellung nicht vor. Statt dessen zeigt der Fotograf Bilder, die nichts mit der Idylle von Ansichtskarten zu tun haben. Sie zeigen Brüche und Widersprüche, die sich dem Reisenden, der mit offenen Augen durch die Welt geht, auftun.

o.T. (c) Nick Hermanns 2011/12

Zwei Stühle in einem Pavillon mit Blick aufs Meer  und eine Insel im Abendlicht. Das wäre es doch. Aber dass dieser Unterstand aus glattem, unwirtlichem Waschbeton besteht und mit Graffiti verunstaltet ist, nimmt der Situation die Romantik. Weiße Neubauten in südlichem Einheitsstil mit unverbaubarem Meeresblick verschandeln die Küstenlandschaft. Sporteinrichtungen, ein vereinsamter Freizeitpark suggerieren Urlaubsfreuden, die angesichts dieser Bilder nicht aufkommen, auch nicht aufkommen sollen.

o.T. (c) Nick Hermanns 2011/12

Die in der Ausstellung gezeigten rund 35 Aufnahmen entstanden auf Reisen, die der Fotograf 2011 und 2012 entlang der Küsten Italiens, Frankreichs, Spaniens und Portugals unternommen hat. Auf jedem Bild ist das Meer zu sehen, und sei es lediglich als schmaler Streifen bevor der Horizont beginnt. So auf der Aufnahme einer Häuserecke in einem Küstenort, auf der ein blauer Müllbehälter und die religiösen Symbole um die Aufmerksamkeit des Betrachters ringen - das Meer spielt keine Rolle mehr.

Wenig Strand ist zu sehen. Hölzerne Wachtürme der Rettungsschwimmer, ein gelbes Umkleidehäuschen im milden Abendlicht - das alles wirkt wie aufgelasssen. Menschen kommen bewusst fast nicht vor auf den Fotos. Das ist auch nicht nötig. Der Tourismus hat "seine Duftmarken hinterlassen", wie Nick Hermanns sagt. Dass er auch Ödnis, ja Einsamkeit produziert hat, zeigen die Bilder.

Fernweh, Reiselust mag nicht recht aufkommen beim Besuch dieser Ausstellung. Vielleicht ist sie gerade deshalb so sehenswert.

Bis zum 16. November 2012 in der Fotogalerie im Blauen Haus, Schellingstraße /Ecke Schleißheimerstraße, Di-Fr 15-19 Uhr, Sa 11-16 Uhr, Eintritt frei.

Veröffentlicht am: 04.11.2012

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