Jonas Jonassons Roman "Die Analphabetin, die rechnen konnte"

Verwicklungen um eine Südafrikanerin mit Atombombe

von Katrin Kaiser

Der Schriftsteller, der die Komik ernst nahm: Jonas Jonasson. Foto: Sara Arnald

Wie macht man als Schriftsteller weiter, wenn gleich der erste Roman ein internationaler Millionenbestseller geworden ist? Wenn das zweite Buch ganz anders als das erste ist, sind diejenigen enttäuscht, die das erste liebten. Schreibt man das zweite nach demselben Muster wie das erste, gilt es schnell als bloßer Abklatsch. Jonas Jonasson, der Autor des schwedischen Erfolgsromans „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, hat sich dennoch dafür entschieden, ein dem Erstling ziemlich ähnliches Buch zu schreiben.

Statt des alten Schweden schickt er in „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ eine junge schwarze Südafrikanerin auf die Reise durch die Weltgeschichte. Die ist am Ende zwar erst 47 und nicht 100, hat aber durch die Launen des Zufalls an den unwahrscheinlichsten Orten einiges Unwahrscheinliches erlebt. Aus dem Slum, in dem sie geboren wurde, verschlägt es sie in ein Kernforschungszentrum bei Pretoria, und später – versehentlich mit einer Atombombe im Gepäck – in ein Abbruchhaus in der schwedischen Provinz.

Wie der Hundertjährige Allan Karlson ist Nombeko extrem intelligent und lernfähig. Ohne jegliche Schulbildung kann sie als Kind schon besser rechnen als die meisten Erwachsenen und ist auch bald keine Analphabetin mehr. Ganz nebenbei erreicht sie später zuerst in Chinesisch und dann in Schwedisch das sogenannte verhandlungssicheres Niveau.

Als Leser mag man dieses gewiefte und tatkräftige Mädchen von Anfang an gern. Sie ist die Heldin eines modernen Märchens, die durch Geistesschärfe und Unkonventionalität letztendlich alle überlistet, die sich ihrem Glück in den Weg stellen wollen. Im Gegensatz zum Hundertjährigen legt Nombeko durchaus Ehrgeiz und Geschäftstüchtigkeit an den Tag. Sie will aufsteigen, raus aus dem Slum, raus aus der Gefangenschaft in der Forschungsbasis, raus aus Südafrika, hin zu einem gutbürgerlichen Leben in Schweden.

Das Cover von "Die Analphabetin, die rechnen konnte". Abbildung: Carl´s Books

In den ersten Kaptiteln von „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ schlägt Jonas Jonasson einen fast zynisch-ernsten Ton an: Da geht es vor allem darum, die vielversprechende Protagonistin rauszuholen aus ihrem elenden Umfeld. Die schnelle, aberwitzige Screwball-Komik, die Jonassons ersten Roman auszeichnete, kommt jedoch erst so richtig in die Gänge, als Schweden der Schauplatz der Geschichte wird. Da trifft Nombeko auf zwei nur äußerlich sehr gleiche eineiige Zwillinge, die absurderweise auch noch beide Holger heißen – beste Voraussetzungen für vergnügliche bis schmerzhafte Verwicklungen. So einiges wird im Laufe der Geschichte vertauscht und verwechselt, bis die Protagonistin endlich ihren gerechten Lohn und all ihre Widersacher ihre gerechte Strafe erhalten.

Am Ende ist man als Leser froh, dass Jonas Jonasson es gewagt hat, einen weiteren Roman im Stile seines Debüts zu schreiben. Zwar sind Geschichtsführung und Figurenzeichnung in „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ nicht ganz so konsequent wie im „Hundertjährigen“; einen so mustergültigen Schelmenroman, der fast das gesamte Weltgeschehen des 20. Jahrhunderts im Leben eines einzigen faulen und schlauen Narren unterbringt, schreibt wohl auch der beste Schriftsteller nur einmal.

Aber allein Jonassons groteske Situationskomik und seine sympathischen Helden, die im Zweifelsfall immer nach menschlichen Maßstäben entscheiden, machen „Die Analpahabetin, die rechnen konnte“ zu einem Buch, das man gerne liest.

Jonas Jonasson: "Die Analphabetin, die rechnen konnte" (Carl's Books, 448 Seiten, 19,99 Euro)

 

Veröffentlicht am: 30.11.2013

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