"Auch Insekten essen Kuchen" im Headegg

Hornissenflügel in Bronze, Kastenkuchen aus Bitumen

von Michael Wüst

Manuel Strauß, Lea Grebe. Foto: Michael Wüst

Goodbye Headegg! Die drei charmanten Kioske an der Trogerstraße 19 im Münchner Osten werden nach der aktuellen Ausstellung „Auch Insekten essen Kuchen“ schließen. Das ungewöhnliche Kunst-Triple wurde 2009 von Fotograf Hubertus Hamm ursprünglich als Schaufenster-Galerie gegründet, konnte dann 2013 richtig geöffnet werden, die Räume wurden begehbar. Die Füße der Besucher folgten den Augen, die Sache bekam einen Körper. Nach insgesamt 20 Ausstellungen und viel Beachtung, gerade innerhalb der letzten zwei Jahre, nun leider das Ende an diesem Ort. Aber Idee und Konzept in Händen von Förderer Hubertus Hamm und Kuratorin Lea Grebe scheinen weiterhin so lebendig, dass wir Hoffnung auf ein Wiedersehen haben. Da machen wir uns mal keinen Kopf!

Der Kiosk und sein Schaufenster, erst einer, dann drei nebeneinander. Der Zuschauerraum ist zunächst das Trottoir, öffentlicher Raum. Diese Trennung zur Kunst durch die Glasscheibe, die Zuschauer mit ihren Nasen an der Scheibe, das hatte etwas Zoologisches, etwas von einem Aquarium, in jedem Fall resultierte daraus für die innen platzierte Kunst eine Atmosphäre der Sicherung, respektive der Verletzlichkeit. Eine Vitrine für Fragiles, Menagerie. Deutlicher kann der Bedeutungswandel eines Raumes, allein durch die Ersetzung seines Produkt-Protagonisten gar nicht sein. Wie so oft stellen Zwischennutzungen die ursprüngliche, ökonomische Zielsetzung auf den Kopf.

Goodbye! Foto: Headegg

Diesen besonderen Reiz unterstreicht noch einmal die Schlussausstellung „Auch Insekten essen Kuchen“ von Lea Grebe und Manuel Strauß. In Zeichnungen und Objekten beider, die von Axel Kasseböhmer an der Münchner Akademie kommen, dominiert das Spiel der vorsichtigen Annäherung. Eine scheue Kunst enthüllt scheinbar ihre Rätsel in kritischer Nähe, um jedoch eigenartig obskur zu bleiben. Didaktisch schlüssig bewegt sich die Anordnung vom ersten Kiosk mit den Zeichnungen über den zweiten und dritten mit vornehmlich Objekten.

Eine Wiedererstehung (Gemeinschaftsarbeit). Foto: Michael Wüst

Manuel Strauß steht mit eruptiven, schnellen Mischtechniken, die schon mehr ins Malerische gehen neben einer feinen Insektenschwarmbewegung, Zeichnung von Lea Grebe, gesehen aus der Perspektive des gebannt beobachtenden Kindes, das näher rückend eine riesige Welt im Kleinen, aus der Erde kriechend, entdeckt. Zwischen den ersten Zeichnungen, wenn man also als Besucher sich mit gleichermaßen forschendem Kindesauge genähert hatte, stößt man jetzt unversehens zwischen beiden Zeichnungen auf etwas Eigenartiges, kein Abbild, eher eines realen kleinen Erde-Dramas entnommen scheinend: Eine bronzefarbene Hornisse auf einem Konglomerat von Lehm und Scherben. Ungläubigkeit vertieft sich, als man von Lea Grebe erfährt, dass das Insekt ein Bronzeguss ist. Modell ist eine gefundene, real tote Hornisse, die vorsichtig in ihre Gipsform kommt, im Guss selbst verbrennt und im einfließenden Metall wiederersteht. Die Untergrenze eines halben Millimeters Stärke des Gussobjektes wird in ihren Arbeiten mehrfach weit unterschritten. Einen Insektenflügel in Bronze zu gießen gleicht schon fast der Verewigung eines Lufthauchs mit dem so gewohnt hehren Material. Doch davon steht unter der Arbeit nichts zu lesen. Eine gewissermaßen unerbittliche Bescheidenheit.

Mahlzeit! Kastenkuchen von Manuel Strauß. Foto: Michael Wüst

Gehen wir weiter in der Ausstellung, können wir uns an den Kuchen, den Esssachen von Manuel Strauß ergötzen. Da läuft einem das Wasser in den Augen zusammen! Feinste Schokoladen-Kastenkuchen aus Erde, Sand, Bitumen, Kreide, Schneespray, Gips, Pappe, Zinn und Kohle. Besonders appetitanregend sind die Kettenfett-Glasuren. Auch hier fasziniert die Schönheit und der Charme des kindlichen Ernstes. Backe, backe Kuchen, ein archaisches Erdespiel. In Gemeinschaftsarbeiten beider entstehen verwitterte Zitronenkuchen, an denen Insekten gestorben sind oder ein Gießharz-Objekt mit fremdartig von Pilzbefall verformten Zweigen und Dolden und krallenartigem Auswuchs. Frankensteins Paperweight. Für Manuel Strauß einfach etwas in Aspik.

Im letzten Raum weist ein Pfeil auf den Lichtschalter. Wir befolgen und löschen das Licht. An den Wänden flammen die kalt leuchtenden Spuren fluoreszierender Farbe auf, Wischer, die über die Exponate hinweg gehen. In schnellem, aggressivem Gestus. Als wollten die vergangenen Ausstellungen sich geisterhaft noch einmal melden.

Bis 3. Oktober 2014 im Headegg, Trogerstraße 19. Infos via www.headegg.com, für Lea Grebe via www.chromophob.de und für Manuel Strauß via www.manuel-strauss.de.

Veröffentlicht am: 22.09.2014

Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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