Ein Fotoaltar für die Priesterin Iphigenie

von kulturvollzug

Vor 15 Jahren starb sie, am 4. Januar, im Schwarzwald. Vor 100 Jahren, am 27. Januar, wurde sie geboren, in Dresden. Zu ihrem imaginären Ehrentag sollte sie an ihrem letzten Wirkungsort  gegenwärtig sein – und auch noch ein paar Wochen danach. Daher hat Staatsintendant Dieter Dorn eine Schautafel mit Schwarzweißfotos und ein paar aufschlussreichen Begleittexten im Obergeschoss des Residenztheater-Foyers anbringen lassen. Die „Callas des Wortes“ lebt für ein paar Anschau- und Lese-Minuten während der Theaterpausen auf – aus dem Gedächtnis vieler begeisterter Münchner Theaterfreunde ist sie jedoch noch längst nicht gewichen: Maria Wimmer.

So bescheiden ihr Name, so zurückhaltend war sie im Wesen. Auf der Bühne freilich ist sie aus sich herausgegangen. Am einprägsamsten – trotz unzähliger Rollen, die ihr Hauptmann und O`Neill, Hebbel oder Lessing, Tennessee Williams oder Paul Claudel, Edward Albee oder Samuel Beckett direkt auf den Leib geschrieben haben könnten – als Goethes „Iphigenie“. Sie ist Maria Wimmer zur Lebensrolle geworden. Schon 1959 triumphierte sie darin bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen, und seither achtete man auf ihr wundersames „Sprechen in Kadenzen“, wie ein Kritiker das an der Wimmer hochlobte. Als eine der stärksten Begabungen erschien sie schon auf der Schauspielschule in Leipzig dem später in Hollywood berühmten Douglas Sirk, der damals noch Detlev Sierck hieß.

In der kleinen Münchner Gedächtnis-Schau geht es um die Präsenz der großen Tragödin am Staatsschauspiel und an den Kammerspielen. 1947 kam sie von der Alster an die Isar, mit der „Iphigenie“ natürlich, später auch in zeitgenössischen Stücken, unter Schweikart, Kortner, Düggelin, Noelte. Die großartige Sprecherin und Rezitatorin feierte auch in Salzburg Triumphe, in Frankfurt,  Hamburg, Düsseldorf. Letzte Münchner Rollen: Gertrude Stein im Monolog von Marty Martins und „Sie“ von Ulla Berkéwicz. „Maria Wimmer ist ein Orchester!“, toppte Theaterprofessor C. Bernd Sucher seine frühere Zuweisung einer „Callas des Wortes“ in einer Kritik. Sucher schrieb auch die vorerst letzte Monographie über Maria Wimmer, die 2000 in Berlin erschienen. 

Hans Gärtner                

 

Veröffentlicht am: 08.03.2011

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