Der Richter in der Dichterrobe

Phantast und Ironiker, Jurist und Satiriker - Zum Tod des Schriftstellers Herbert Rosendorfer

von Achim Manthey

Nur ein Teil des Vielschreibers (Foto: Achim Manthey)

Seine Romane wurden Bestseller, er schrieb Drehbücher zu Münchner Tatorten, Opernlibretti und Kompositionen für Klavier, Oboe und Klarinette. Nun ist Herbert Rosendorfer im Alter von 78 Jahren gestorben.

Er hat viel über Verkehrsunfälle geschrieben. Populär wurde er dadurch nicht. Aber das war über viele Jahre seine Aufgabe als Richter im Referat für Verkehrs-Zivilsachen am Amtsgericht München. Es war sein parallel ausgeübter Beruf als Schriftsteller, der ihn bekannt machte. Romane, Erzählungen und Opernlibretti gehören zu seinem höchst umfangreichen Œuvre. Auch als Komponist und Maler trat er in Erscheinung. Er war einer der wenigen Menschen, die man getrost als Universalgenie bezeichnen kann. Witzig und charmant bei öffentlichen Auftritten, bescheiden und höflich, sehr knurrig zuweilen als Richter, wenn ihm ein schwachsinniger Anwaltsvortrag oder die chronischen Erinnerungslücken von Polizeibeamten, die als Zeugen zu vernehmen waren, schlicht zu weit gingen.

Herbert Rosendorfer wird am 19. Februar 1934 in Gries bei Bozen geboren. Als er fünf ist, ziehen seine Eltern nach München. 1943 wird er nach Kitzbühel evakuiert, kehrt 1948 in die bayerische Landeshauptstadt zurück. Nach dem Abitur will er Bühnenbildner werden, studiert das ein Jahr lang an der Akademie der Bildenden Künste - und steigt 1954 auf die Juristerei um. Ein Bruch, der nur vermeindlich als solcher erscheint. Nach dem Zweiten Staatsexamen arbeitet er zunächst als Gerichtsasessor und Staatsanwalt in Bayreuth. 1967 wird er Amtsrichter in München, ab 1993 Richter am Oberlandesgericht Naumburg. Schon 1990 verleiht ihm die Ludwig-Maximilians-Universität München die Honorarprofessur für Bayerische Literaturgeschichte. Nach seiner Pensionierung 1997 kehrt Herbert Rosendorfer nach Südtirol zurück, lebt in Eppan.

Sein Werk ist in weiten Teilen der phantastischen Literatur zuzuordnen. In seinem wohl bekanntesten Roman "Briefe in die chinesische Vergangenheit" von 1983 lässt er Kao-tai, einen Mandarin aus dem 10. Jahrhundert, eine Zeitreise in die damalige Gegenwart Münchens antreten und darüber in seine Zeit berichten. Es sind grotesk überspitzte Schilderungen, die er seinem Freund Dji-gu in 37 Briefen übermittelt. A-tao-Wägen sind am Straßenrand festgemacht, die Großnasen versuchen ständig, Veränderungen herbeizuführen und Hong-tels sind nicht zwangsläufig Bordelle. Mit "Die große Umwendung" liefert der Autor 1997 eine Fortsetzung, in der er seine Eindrücke in den neuen Bundesländern verarbeitet. Seine Erfahrungen in der juristischen Profession karikiert er genial in "Ballmanns Leiden oder Lehrbuch für Konkursrecht" und "Die Donnerstage des Oberstaatsanwalt" um. Mit praller Komik und Distanz setzt er sich mit der Geschichte Christian Webers, des Duzfreundes Hitlers und Nazi-Statthalters Münchens in dem Roman "Die Nacht der Amazonen" auseinander.

Als großen Humoristen bezeichnete Marcel Reich-Ranicki den Autor einmal. Er war mehr als das: Ein Hinterfrager und Augenöffner. Ein feinsinniger Maler und Kompositeur. Am vergangenen Donnerstag ist Herbert Rosendorfer im Alter von 78 Jahren nach langer Krankheit in einer Bozner Klinik gestorben.

Veröffentlicht am: 21.09.2012

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