Münchner Zeichner-Szene stellt aus in der Galerie der Künstler

Charme der Linie

von Achim Manthey

Die Heimat (c) Seung il Chung

Die Ausstellung "München zeichnet" in der Galerie der Künstler gibt einen Überblick zum aktuellen Stand hiesiger Zeichenkunst von 38 Künstlerinnen und Künstlern sowie einem Künstlerkollektiv. Gelungen ist eine spannende Schau.

Die "Weltkugel" ist hohl. Zumindest bei den Gipskugelformen, die gleich links am Eingang zur Ausstellung gezeigt werden und von Afra Dopfer mit feinsten Bleistiftzeichnungen versehen wurden. Ruth Mairgünther präsentiert großformatige, verschlungene Graphitzeichnungen auf Papier. Und sehr elegant, da formstreng kommen die sechs kleineren, nebeneinandergehängten Tuschezeichnungen mit dem Titel "Heimat 1-6" von Seung il Chung daher, in denen feinste, schräg gegeneinander verlaufende Linien geometrische Formen wie Hausfassaden und -dächer mit dreidimensiionalem Charakter erzeugen.

Knäuel (c) Afra Dopfner

Zeichnen. Das bis heute vorherrschende, kunstgeschichtliche Verständnis des Begriffs als "Arbeit aus Papier" ist längst verwässert angesichts der zahlreichen neu hinzugekommenen Techniken, Trägermaterialien, und Arbeitsutensilien. Dass hierunter heutzutage auch Arbeiten am Computer zu rechnen sind, zeigt Maria Ploskow mit ihrem 2013 entstandenen Triptychon "Grüne Hölle", Computerzeichnungen, die an durch schwarze Punkte, Flächen und Ästelungen durchbrochene Spannungsaufzeichnungen im EKG eines Sterbenden gemahnen.

Die Münchner Ausstellung versucht einen Spagat, wenn sie zwar das Trägermaterial Papier als einzig normgerecht verabschiedet, aber am Stift - offenkundig auch eines Tablets - als Arbeitsutensil festhält - wie auch an der Linie als die Zeichnung prägendes Merkmal. In einer öffentlichen Ausschreibung, zu der es 120 Einsendungen gab, haben die Kuratoren Erika Wäcker-Babnick und Stefan Graupner mit Unterstützung des Berufsverbandes Bildender Künstler München und Oberbayern Arbeiten von 38 Künstlerinnen und Künstlern sowie eines Künstlerkollektivs ausgewählt.

Ikea Suite Drawing Nr. 6 (c) Christopher Croft

Es ist eine vielfältige und spannende Schau gelungen. Von 20 bis 80 Jahren sind alle Altersklassen und damit auch ganz unterschiedliche Strömungen vertreten. Klassisch-akademisch geprägte Arbeiten von Hochschullehrern wie Thomas Zacharias - seine Skizzenbücher mit Umblättermaschine sind sehenswert - oder Fridhelm Klein sind zu sehen. Es gibt die wissenschaftlichen Arbeiten von Barbara Ruppel, deren zerlegte "Ratte" an Stücke aus der Wiener Albertina und daran erinnert, dass es noch gar nicht zu lange her ist, wo sich Flora und Fauna von innen und außen gar nicht anders darstellen ließ als durch die Zeichnung. Von Peggy Meinfelder sind kompakte zeitgeschichtliche Studien zu sehen, Stefan Kern zeigt mit Kohlestift auf Papier gezeichnete fotorealistische Raumszenen, die wie Aufnahmen von einem Einbruchstatort wirken - düstere, dichte Kompositionen sind das.

Neben dem Papier kommen ganz unterschiedliche Trägermaterialien vor: Grundierte Leinwände, die mit Edding-Stiften bearbeitet wurden wie auf dem Bodenbild von Nele Ströbel, Japan- oder Transparenzpapier und nicht zuletzt die Wände des Ausstellungsraums selbst. Durch eine geschlossene Linie - da ist sie wieder - in schwarzer Farbe über Eck an den Wänden und am Boden in Weiß hinunterfließend vermisst Susanne Pittroff einen Raum.

Zeichnungen sind "in" zurzeit. Zu Recht, wie diese Werkschau aus den Ateliers der Stadt zeigt.

Bis zum 23. August 2013 in der Galerie der Künstler, Maximilianstraße 42 in München, Mi, Fr-So 11-18 Uhr, Do 11-20 Uhr, an Feiertagen geschlossen, Katalog.

Veröffentlicht am: 12.08.2013

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