"Austrian Psycho" bei Radikal Jung im Volkstheater - Kritik von Jan Stöpel

Der Stoff, aus dem die wirren Träume sind

von Jan Stöpel

Happy Psycho. Austrian Psycho. Foto: Weronika Demuschewski

Krawall oder doch noch irgendwie Kunst, Kasperltheater oder virales Marketing für ein ernstes Anliegen? "Austrian Psycho", eine Uraufführungspremiere bei Radikal Jung am Volkstheater, entzweite die Zuschauer und sorgte für lange Diskussionen.

Man kann sagen, dieses Stück (Stück?) ist der Stoff, aus dem die Träume sind. Die ganz wirren, unverständlichen Träume, in denen man fliegen kann, die Tiere reden können, in einer Tour Sachen zusammenkommen, die nun wirklich nichts miteinander zu tun haben. Komisches Zeugs also, das uns nicht weiter stören muss, ist ja schließlich Schlafroutine. Kommt davon, wenn man mal das Unterbewusstsein ans Ruder lässt.

So gesehen, sind die "Anonymen Billeteure" und die "Unkoordinierte Bewegung" das Unterbewusstsein des Theaterbetriebs. Wenn die am Machen sind, dann Sinn ade, Servus Kalkulation, behüt dich wohl, Geschichte und Inhalt. Dann werden Sachen verhandelt und versandelt, die uns irgendwie schon immer gestört haben. Im Unterbewusstsein zumindest.

Was im Foyer des Volkstheaters geschah? Nicht viel eigentlich. Ein Mann, der im glitzernden Kostüm herumrannte und -sprang, nicht im Dreieck, sondern im hell ausgeleuchteten Viereck, hinten, dort, wo sich gleich die Tür zur Volksküche öffnet, die dann auch gleich in diesen inszenatorischen Amoklauf einbezogen wird. Dieser Mann, nennen wir ihn a, X, G, H oder F, spricht dazu, es hört sich an, wie eine dieser wirren Apo-Reden geklungen haben muss: "Wie bin ich hierhergekommen? Ich wollte nur Theater machen, und jetzt stehe ich auf dieser Bühne." Er wirft immer wieder den "Hamlet-Taxometer" an und erklärt, dass alles zusammenhängt, neoliberale Prekarisierung, nationalstaatliche Kulturpolitik, EU-Politik gegen Migranten, der globale Kapitalismus. Und bringt das Publikum dazu, sein Mantra nachzuächzen: "Innen - Außen - zusammen - denken".

Dann sieht man ein Video. Menschen am Tegernsee, die irgendwas von Uli Hoeneß erzählen und rufen und schreien. Es geht wohl drum, dass Hoeneß für die Dauer seiner Haft sein Haus Flüchtlingen als Unterkunft zur Verfügung stellen soll. Am Ende kommt ein Mann mit einer Maske auf die Bühne gewackelt, es könnet Freddie Krüger sein oder Luc Bondy oder sonst wer, seine wichtigsten Aufgaben sind ohnehin nur: Den Darsteller zu würgen und dann Platz zu nehmen. Um mit elektronisch verfremdeter Piepsstimme zu verkünden: "Publikumsgespräch!" In dem sich dann herausstellt, dass das Psycho-Kollektiv, das keines sein will, seine Hoeneß-Aktion selbst als gescheitert betrachtet.

War's das? Schwer zu sagen, aber wohl eher nicht. Das Chaos hat eine Vorgeschichte. Nämlich die des Platzanweisers Christian Diaz, der seinen Job beim Burgtheater in Wien verlor, weil er beim Kongress "Von welchem Theater träumen wir?" uneingeladen die Bühne betrat und etwas sagte. Etwas zur Security-Firma G4S. Dieses britische Unternehmen, das unter anderem in England sogar Gefängnisse betreibt, wird zahlreicher Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Folter beschuldigt. Was das Burgtheater nicht daran hindert, mit G4S zusammenzuarbeiten. Diaz war denn auch gar nicht vom Haus angestellt, sondern von - G4S. Und wurde prompt gefeuert, was Solidaritätsbekundungen zahlreicher Künstler nach sich zog,

Warum noch Theater spielen, wenn das wahre Leben viel absurder ist? Um diese Frage ging's wohl den Krawall-Performern. Und darum, aufzuzeigen, wie das alles zusammenhängt: Traumfabrik in Wien und Flüchtlingsabwehr an den Grenzen Europas, Geld scheffeln und die Weigerung, es zu teilen. Theater müsse doch Räume öffnen, rief ein verärgerter Zuschauer beim Publikumsgespräch. Kann sein, für die Phantasie, ja. Was die Realität betrifft, ist es in Wien offenbar auch daran beteiligt, Räume abzuschließen.

Alles wichtige Fragen, ganz sicher, für die das Kollektiv vielleicht eine andere Art des Zugangs hätte finden müssen. Stand hier nun der Krawall im Mittelpunkt, die Performance, der künstlerische Akt? Oder doch das hehre Anliegen? Da verharrte "Austrian Psycho" einfach im Dilettantismus, blieb ziellos, albern. Andererseits: die Leute blieben lange, redeten lange über das Gesehene und mehr noch, das Empfundene. Der Abend war womöglich nicht vergebens. Theater war's jedoch keines.

Eine weitere Kritik zu "Austrian Psycho" erschien im KV hier.

 

 

Veröffentlicht am: 14.04.2014

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