Zum Abschied von Klaus Schrenk bei den Staatsgemäldesammlungen

"Man sollte nicht zu viele Vorhaben im Gepäck haben"

von Christa Sigg

Klaus Schrenk. Foto: Haydar Koyupinar

Natürlich gab’s ein großes Fest. Hunderte waren im Oktober in die Pinakothek der Moderne gekommen, um ihm Adieu zu sagen. Aber man hat schon gemerkt, Klaus Schrenk steht immer noch nicht gerne im Mittelpunkt. Sechs Jahre lang hat er die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen als Generaldirektor geleitet. Wehmut? Ein Hauch. Mehr lässt er sich nicht anmerken. Hanseate halt. Und dann sind da ja stapelweise Bücher, die auf ihn warten. Ein Gespräch über die Liebe zur Wissenschaft, falsche Hoffnungen und den FC Bayern.

Der 65-jährige Kunsthistoriker und Spezialist für französische Kunst Schrenk hatte nach Stationen in Berlin, Düsseldorf, Bonn und Karlsruhe 2009 die Leitung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen übernommen.

 

Sind Sie als Hanseat in München heimisch geworden?

Ich bin ja seit 1970 aus Hamburg weg, aber man sagt doch, einmal Hanseat, immer Hanseat, und das stimmt vielleicht auch. Meine Frau und ich fühlen uns aber sehr wohl in München.

Dann machen wir doch gleich mal den Akklimatisierungstest: Fisch oder Schweinsbraten?

Fisch. Fisch. Fisch.

Segeln oder Bergsteigen?

Eher Bergsteigen. In Hamburg war ich zwar auf dem Wasser, habe aber gerudert. In meiner Familie gibt es da eine lange Tradition, nur musste ich sehr früh wegen der Knie aufgeben. Zum Entsetzen meines Vaters! Es kamen also keine weiteren Pokale ins Haus.

Alster oder Isar?

Na, da muss ich doch Alster sagen.

Lassen Sie uns ein bisschen über Ihre Karriere sprechen: Was hatten Sie sich denn als Ziel gesetzt, als Sie den Riesentanker Staatsgemäldesammlungen übernahmen? Und wohin sind Sie dann geschippert?

Der Wechsel nach München kam ja zu einem relativ späten Zeitpunkt in meiner Karriere. Insofern brachte ich eine lange Berufserfahrung mit und wusste, dass ein so weltbedeutender Museumsverbund alleine die Aufgaben stellt. Natürlich kommt man mit Ideen, aber das regelt sich ganz schnell durch die praktischen Belange. Insofern ist man gut beraten, nicht zu viele Vorhaben im Gepäck zu haben, sondern einzusteigen in die Arbeit.

Frei nach dem Motto, was nützen tolle Pläne, wenn die Risse in der Pinakothek der Moderne größer werden?

Zum Beispiel. Da hilft einem die Erfahrung dahingehend, dass man sich keinen falschen Hoffnungen hingibt.

Da wir schon dabei sind, was hat Sie denn geärgert?

Was mich betroffen gemacht hat, war der Dürer-Streit. Auch, weil die Kompetenz der Museen in Frage gestellt wurde. Diese Auseinandersetzung hat der Kultur wirklich geschadet. Und man war als Museumsmann Drohungen ausgesetzt, auf die man gerne verzichten kann. Trotzdem sind wir letztlich gestärkt aus der Sache herausgegangen.

Haben Sie zu spät reagiert?

Nein. Der Streit war ja von Anfang an politisch motiviert und drohte, irgendwann aus der Facon zu geraten. Ich glaube, wir haben gut und besonnen reagiert.

Dann zum Positiven Ihrer Amtszeit.

Der Auftakt mit der Eröffnung des Museum Brandhorst ist mir ja beinahe zugefallen. Und auch das Türkentor mit Walter de Maria war dann eine schöne Arrondierung. Man kann es nicht oft genug wiederholen: München hat mit der Eröffnung der Pinakothek der Moderne 2002 und dem Museum Brandhorst 2009 innerhalb von sieben Jahren Anschluss an die internationale Moderne gefunden. Zusammen mit den weltbedeutenden Sammlungen der Alten und auch der Neuen Pinakothek hat sich für die Stadt etwas Grundlegendes geändert – in der Präsenz, in der Ausstrahlung. Was mich persönlich glücklich gemacht hat, war das grandiose, dichte Programm, das wir 2011 zum 175-jährigen Geburtstag der Alten Pinakothek zusammenbekommen haben. Mit unseren Konservatoren, aus dem Haus heraus und ohne zusätzliche Mittel.

Dafür gab’s ja dann auch den AZ-Stern des Jahres.

Ja, das war wirklich eine große Freude! Erst recht, wenn ich dann an das Jubiläum der Pinakothek der Moderne und an die Risse denke. Aber die desaströse Nachricht von der Schließung konnten wir durch die Etablierung der „Schaustelle“ ins Positive wenden.

Es war auch ein Novum, dass alle vier Häuser intensiv zusammen gearbeitet haben.

Und das wirkt sich bis heute aus. Es betrifft übrigens auch die Unterstützung, die wir durch die Förderkreise erfahren haben, also durch die Stiftung Pinakothek der Moderne und PIN, aber auch durch die Audi AG. Die Partnerschaft mit Audi hat den Pinakotheken ausgesprochen gutgetan, denn sämtliche Ausstellungen können wir nur über Drittmittel stemmen und bis 2011 hatten wir in diesem Zusammenhang eine spürbare Unterfinanzierung. Dank des Engagements der Allianz gibt es seit der Wiedereröffnung im September 2013 außerdem den „Blauen Mittwoch“ mit freiem Eintritt in die Pinakothek der Moderne. Fehlt uns eigentlich nur noch der FC Bayern…

Im Verborgenen schlägt da sicher ein großes Herz für die Kunst… Aber macht man sich damit nicht auch abhängig von der Konjunktur?

Wir haben bislang ausgesprochen positive Erfahrungen gemacht. Natürlich muss eine solche Partnerschaft behutsam entwickelt werden, sich festigen. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass wir in unseren Entscheidungen eingeschränkt sind. Es geht ja nicht um kurzfristiges Sponsoring zu einem bestimmten Thema, sondern um eine langfristige Zusammenarbeit. Übrigens ist auch in den Unternehmen das Interesse der Mitarbeiter groß, Angebote in der Pinakothek wahr zu nehmen.

Haben Sie ein Händchen dafür, Mäzene zu gewinnen?

Ich glaube, dass wir in den Staatsgemäldesammlungen privilegiert sind, weil die Förderer auch ein privates Interesse an der Kunst haben. Dadurch lassen sie sich auch für unsere Ideen gewinnen. In München gab es jedenfalls eine Fülle an positiven Begegnungen, das nimmt mich sehr ein für die Stadt.

Zum Abschied dürfen Sie nun noch einen famosen Ankauf verbuchen.

Allerdings. Der Pinakotheks-Verein hat mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Sparkassen Finanzgruppe die Sammlung Dietmar Siegert für die Neue Pinakothek erworben. Sie umfasst 9700 Fotografien, die in Italien zwischen 1846 und 1900 entstanden sind. Großartig!

Ihrem Nachfolger hinterlassen Sie ein happiges 75-Millionen-Projekt.

Ja, die Sanierung der Neuen Pinakothek ist das Hauptproblem für meinen Nachfolger. Die Planungsmittel müssen jetzt dringend bereitgestellt werden. Das sind sechs Millionen für drei Jahre. Es muss ja alles raus, die Schausammlung, die Werke in den Depots. Es sollte also bald entschieden werden, ob und wo ein externes Depot errichtet wird. Dann müssen ja auch wir unsere Büros verlassen, genauso das Dörner Institut. Erst wenn das alles gelöst ist, kann endlich saniert werden - vermutlich von 2018 bis 2020. 2021 wäre dann der Wiedereinzug. Das ist die wichtigste Aufgabe in der nahen Zukunft.

Dagegen dürften Provenienzforschung und Restitution das Haus noch weitaus länger bewegen.

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben sich früh den drängenden Fragen nach Restitution und Provenienzforschung gestellt. Bereits im Jahre 2000 wurde das erste Gemälde an die Nachfahren einer emigrierten jüdischen Besitzerin zurückgegeben. Inzwischen haben wir zwölf Kunstwerke restituiert, aber natürlich wird uns die Provenienzforschung auch in den nächsten Jahren weiterbeschäftigen.

Und wie schaut die Zukunft für Klaus Schrenk aus? Kuratieren? Ans nächste Museum wechseln wie Helmut Friedel?

Die ersten Angebote sind eingetroffen. Aber ich werde in die Wissenschaft zurückgehen und freue mich sehr darauf!

Wie darf man sich das vorstellen?

Ich werde mich mit einem Projekt zum 19. Jahrhundert in Frankreich beschäftigen. Es geht um die Themen der Moderne, die bereits in der ersten Hälfte des Jahrhunderts vorbereitet wurden. Dazu kommt noch ein zweites Projekt im französischen Siebzehnten...

Macht die Kunst denn niemals Pause?

Doch! Meine Liebe gilt auch der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Stendhal, Flaubert, Hugo, von Balzac habe ich noch nicht alles gelesen. Aber auch Zeitgenössisches nehme ich mir gerne vor.

Bleiben Sie in München?

Erst einmal ja. Meine Frau führt hier weiterhin ihre Praxis, aber Ende nächsten Jahres geht es nach Berlin, wo unser Sohn lebt. Und dann werden wir zwischen Athen – meine Frau ist Griechin – und Berlin pendeln. Für Unruhe dürfte also gesorgt sein.

Veröffentlicht am: 15.12.2014

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