Bilder in Serie aus einer frühzeitlichen Malfabrik

von kulturvollzug

Lucas Cranach d.Ä., Christus und die Ehebrecherin, um 1520 (c) Bayer. Staatsgemälde-sammlungen, Alte Pinakothek

Die Jubiläumsausstellung zum 175. Geburtstag der Alten Pinakothek in München zeigt Werke von Lucas Cranach.

Golgatha. Eine Anhöhe mit Fernblick auf eine Landschaft mit Hügeln, schneebedeckten Bergen, Flüssen, Seen und Häusern. Die aufziehenden dunklen Wolken am Himmel wirken bedrohlich über dieser scheinbaren Idylle. Am Rande des Abgrunds auf dem Schädelhügel haben sich Maria und Johannes eingefunden. Während die Muttergottes im Trauergestus ihre Hände verschränkt und ihre Augen dabei nicht von Christus, ihrem Sohn, wendet, greift ihr Johannes, sie liebevoll stützend, unter die Arme. Beide Figuren stehen in der Bildmitte, während der verstorbene Christus ganz an den rechten Bildrand gerückt ist. Wie ein perspektivisches Lehrstück sind die drei Kreuze nicht mehr, wie bis dahin üblich, in bildparalleler Anordnung gezeigt, sondern in Dreiecksformation einander zugeordnet. So entsteht Raumtiefe durch Verkürzungen und Überschneidungen, die für die damalige Zeit ebenso revolutionär gewirkt haben muss, wie das sich im Wind stark aufbauschende Lendentuch Christi.

Als Lukas Cranach, aus dem später "der Ältere" werden sollte, 1503 diese "Kreuzigung Christi" malte, war es sein erstes Altarbild größeren Formats überhaupt. Es entstand vermutlich als Auftragswerk für ein bayerisches Kloster kurz nach seinem Aufenthalt in Wien, wo er sich im Dunstkreis der Donauschule das intensive Empfinden für das Zusammenspiel von Licht und Farbe in einer mit menschlichen Geschichten erweiterten Landschaft angeeignet hatte. Wohin den Bilderfinder seine Leidenschaft für das Koloristische und seine feinen psychologischen Nuancierungen einmal führen würde, zeigt sein etwa zwei Jahrzehnte später entstandenes Bild "Kardinal Albrecht von Brandenburg vor dem Gekreuzigten". Mit Blick in die Ferne, zugleich ins Innere seiner selbst gewandt, kniet der Geistliche - deutschlandweit der wohl bedeutendste Kirchenmann in der Zeit der Glaubensspaltung - im karminroten Prunkgewand vor dem blutüberströmten und mit Geißelspuren übersäten Gekreuzigten, der Gegenstand seiner Passionsandacht ist. Der berühmte und vom Impressionismus seiner Zeit begeisterte Kunsthistoriker Hugo von Tschudi erkannte Anfang des vergangenen Jahrhunderts vor allem die malerische Qualität dieses Werks, das seitdem in der Alten Pinakothek zu sehen ist.

Lucas Cranach d.Ä., Kurfürst Friedrich III. der Weise von Sachsen, 1532 (c) Bayer. Staatsgemälde-sammlungen, Alte Pinakothek

Cranach wird 1472 im oberpfälzischen in Kronach geboren. Nach der ersten Ausbildung durch seinen Vater gelingt ihm in nur wenigen Jahren ein steiler Karriereaufstieg. Vom sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen wird er 1505 als Hofmaler an den kursächsischen Hof nach Wittenberg berufen, wo er eine große Werkstatt aufbaut, in der bis zu elf Angestellte mitarbeiten. In einem Zeitraum von fünf Jahrzehnten entstehen hier schätzungsweise 5000 Gemälde. Eine mit Fledermausflügeln gekrönte Schlange, einen Rubinring im Maul. Dieses vom Kurfürsten verliehene Wappen dient als Markenzeichen, das für das Selbstbewußtsein des Künstlers ebenso steht wie für ein materiell unabhängiges Leben. Aber diese Marke bedeutet nicht zwangsläufig Cranachs eigene Urheberschaft an den Werken. Wer in den Kunstbetrieb des Meisters aufgenommen wurde, hatte sich den spezifischen Cranach-Stil anzueignen. In unterschiedlichen Varianten gehen so beliebige Motive wie "Lot und seine Töchter", "Das ungleiche Paar" oder "Christus und die Ehebrecherin" über den Ladentisch. Fast identische Portraits der Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchton, mit denen Cranach befreundet ist, werden in Serie und sogar auf Vorrat produziert. Eine Frühform des Massengeschäfts mit reformatorischen Motiven und Devotionalien.

Aus seiner Ehe mit der Gothaer Ratsherrentochter Barbara Brengbier, sicher auch Resultat des aufgekommenen Wohlstands, gehen zwei Söhne und drei Töchter hervor. Lucas, der jüngere Sohn, wird unter leicht verändertem Markenlabel die Werkstatt des Vaters erfolgreich weiterführen.

1547 verlässt Cranach Wittenberg und folgt dem Kurfürsten Johann Friedrich in die Gefangenschaft nach Augsburg und Innsbruck. Nach dessen Haftentlassung begleitet ihn Cranach nach Weimar, wo er 1553 stirbt.

Die Studioausstellung " Cranach in Bayern" in der Alten Pinakothek präsentiert rund 30 Arbeiten des Meisters spektakulär im Scheinwerferlicht eines abgedunkelten Raumes. Die Werke sind sonst auf Filialgalerien in Aschaffenburg, Bamberg, Kronach, Nürnberg und Regensburg verteilt. Insgesamt verwahren die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen insgesamt gut 100 Cranach-Werke.

Lucas Cranach d.Ä., Das Goldene Zeitalter, um 1530 (c) Bayer. Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek

Neben den religiösen Bildern schuf Cranach auch zahlreiche "nackete Bilder", Aktdarstellungen aus der antiken Geschichte und Mythologie. Dieser für Deutschland neue, profane Bildtypus wurde von Sammlern sehr geschätzt. Auch die Wittelsbacher erwarben in ihrer Sammelleidenschaft zahlreiche Cranach-Gemälde, die jedoch nicht immer ganz unangetastet blieben. Einmal wurden Cranachs Bilder, aus welchen Gründen immer, mit neuen Szenen ergänzt ("Adam und Eva"), andere wurden beschnitten ("Moses und Aaron mit zwei Propheten") oder übermalt ("Selbstmord der Lucretia"). Im Fall der tugendhaften "Lucretia", deren Hüften lediglich von einem durchsichtigen Schleier umspielt werden, war es der Prüderie des frühen 17. Jahrhunderts geschuldet, die Unglückliche mit einem roten Gewand zu umhüllen, das später wieder entfernt wurde.

Ganz unverhüllt erscheinen auch die Figuren auf dem Gemälde "Das goldene Zeitalter". Dieses älteste, nachweisbare Cranach-Werk der Münchner Sammlung mit der paradiesisch anmutenden Darstellung fröhlich tanzender junger Frauen und Männer ist auch sammlungspolitisch interessant. Es gehörte einst zur Kunstsammlung von Hermann Göring. Erst nach Auflösung des in München eingerichteten Central Collecting Point, der Kunstsammel- und -prüfstelle der Alliierten, gelangte das zum Urbestand der Alten Pinakothek gehörende Werk zurück an seinen angestammten Platz.

Bis zum 17. Juli in der Alten Pinakothek. Täglich außer Mo. von 10 bis 18 Uhr, Di von 10 bis 20 Uhr

Angelika Irgens-Defregger

Veröffentlicht am: 09.05.2011

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Hans Götz
16.05.2011 17:02 Uhr

Hinweis für den nächsten Artikel über LCdÄ:

LC ist tatsächlich in Kronach geboren. Das gehört aber nicht zu der Oberpfalz sondern zu Oberfranken. Also durch und durch fränkisch!

Gruß Hagoe

Michael Grill
17.05.2011 10:47 Uhr

Sehr geehrter Herr Götz,

besten Dank für den Hinweis. Auch wenn die fränkische Geschichte dieser Zeit ja gerade mit Blick auf das Hochstift Bamberg sehr komplex ist, haben Sie hier natürlich Recht. Wir haben die Korrektur entsprechend gekennzeichnet.

MfG, Michael Grill, Kulturvollzug