Natur-Fotos im Münchner Hauptbahnhof

Täuscher, Komplizen und Sex unter Wasser

von Achim Manthey

"Gewinn und Verlust" (c) GTD ENJ 2011 Oldrich Mikulica

Die Wanderausstellung "Europäischer Naturfotograf des Jahres 2011" gastiert für kurze Zeit in unserer Stadt. Die sehenswerten Bilder hätten ein freundlicheres Ambiente verdient.

Sie tut es am liebsten heimlich. Mag sich nicht erwischen lassen. Aber damit ist sie bei Oldrich Mikulica an der richtigen Adresse gelandet. Sein Foto "Gewinn und Verlust" zeigt ein Kuckuck-Weibchen, das gerade sein Ei im Nest eines Teichrohrsängers abgelegt und von denen ein Ei stibitzt hat, dass es stolz im Schnabel trägt. Mit seiner Frontalaufnahme, ein extrem seltener Schnappschuss, ist der tschechische Fotograf und Filmemacher der Gesamtsieger des aktuellen Wettbewerbs. "Es war einfach nur Glück, dass in diesem kurzen Moment alles passte", sagt Mikulica in einem Begleittext zur Ausstellung. Seit 25 Jahren beobachtet er  während der Brutzeit die Vögel im Schilfgebiet vor seiner Haustür und lichtet sie ab.

Ein fliegender Fisch zeichnet auf dem Foto des Franzosen Pierre Lobel seine Zickzack- Spuren in tiefblaues Wasser.Ana Retamaro Olmos zeigt in "Zwei kleine Männchen" die Blüten des italienschen Kreuzkrauts, das im amerikanischen so treffend "naked man orchid" genannnt wird und zwei Männchen in Pink mit übergroßen Hüten zu zeigen scheint, die Arm in Arm flanieren. Wie Stahlrohre wirken die Pflanzenteile auf dem Foto "Metallischer Tang" vin David Allemand.

"Zwei kleine Männchen" (c) GTD ENJ 2011 Ana Retamero Olmos

Seit 2001 schreibt die "GDT - Gesellschaft Deutscher Tierfotografen" jährlich diesen internationalen Wettbewerb aus, an dem sich, was selten ist, sowohl Profis wie Amateure beteiligen können. Wesentliche Qualitätsunterschiede lassen die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten nicht erkennen. Für das vergangene Jahr hatte die international besetzte Jury aus Naturfotografen und Bildagenturen in acht Kategorien aus rund 14.000 eingereichten Arbeiten von etwas 1000 Fotografen zu wählen. Ziel ist, durch die Fotografie das Verständnis für Natur zu wecken und den Naturschutzgedanken zu fördern. Das gelingt der Ausstellung durch das Zeigen von Schönheit - die Schattenseiten verschweigt sie.

"Kleine Komplizen" (c) GTD ENJ 2011 Gregoire Bouguereau

Tier geht immer! Unter diesem Motto sind nicht nur anrührende Fotos wie die zwei Löwenjungen, von denen einer dem anderen die Pfote um die Schulter legt oder witzige Aufnahmen wie die des kleinen Polarfuchses, den die Küstenseeschwalben durch sicher schmerzhafte Bisse in Ohr vom Eierdiebstahl abhalten. Fast ins Abstrakte geht David Barrio mit seiner Schwarz-weiß-Aufnahme "Verbinde die Punkte", die einen Walhai nur mit seiner markanten Punkte-Markierung zeigt - die Konturen des Tieres lassen sich nur erahnen. Die "Küstenseeschwalbe" von Ole Jorgen Liodden gerät durch die Wahl einer langen Verschlusszeit und das Mitziehen der Kamera zum impressionistischen Gemälde. Franco Banfi gesteht selbst ein, bei der Aufnahme des Unterwasserfotos "Verliebte Krabben", das diese beim Liebesakt zeigt, so rot geworden zu sein, wie die Panzer seiner Protagonisten. Aber es werden nicht nur Tiere gezeigt. Skurile Pflanzengebilde und bizarre Landschaften sind zu sehen - Bilder, auf denen die Grenzen zwischen Fels, Wasser und Himmel aufgehoben scheinen.

"Gebieter der Arktis" (c) GTD ENJ 2011 Florian Schulz

Das ist alles vielfältig, zuweilen atemberaubend, sehenswert. Nur der Ausstellungsort passt gar nicht. Was bei der World Press Photo-Ausstellung im Frühjahr dieses Jahres noch ging, weil die Tristesse der Bahnhofshalle die Motive unterstreichen konnte, entzieht den farbkräftigen, lebens- und naturbejahenden Bildern dieser Ausstellung einen großen Teil ihres Zaubers. Die großformatigen Aufnahmen sind an eng aneinandergestellten Wänden, die eine Art Labyrinth bilden, gehängt. Dem Betrachter bleibt kaum Perspektive zum Sehen. Das ist schade und das haben die großartigen Fotografien nicht verdient.

Bis zum 10. August 2012 rund um die Uhr in der Schalterhalle des Münchner Hauptbahnhofs.

 

Veröffentlicht am: 05.08.2012

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