Johann Christian Reinhart in der Neuen Pinakothek

Der volle Griff in die Natur-Motivkiste

von Roberta De Righi

Tiberlandschaft bei Acqua Acetosa, 1808, Öl auf Karton (c) SHK/Hamburger Kunsthalle/bpk Foto Elke Walfort

Mit der Ausstellung "Nach Rom!" präsentiert die Neue Pinakothek eine Retrospektive des Malers Johann Christian Reinhart. Sie belebt ihn nicht wieder.

Kunstkritiker sind Esel. Sie haben buschige Schwänze, untersuchen riesige Gemälde mit der Lupe und lassen sich von Affen beim Rezensieren helfen. Weil der Kritiker Ludwig Schorn Johann Christian Reinharts "Landschaft mit Psyche" von 1829 einst als "künstlich und geleckt" heruntergemacht hatte, karikierte der Maler ihn voller Ingrimm.

Bertrachtet man das besagte Bild heute, rund 185 Jahre später, muss man sagen, dass auch Schorns Urteil nicht völlig daneben liegt. Es ist ein bisschen zu glatt, um zu beeindrucken; die mehrfach gestaffelte Felslandschaft mit See und Wald wirkt schematisch; die kkleine, weiß gewandete Frau mit Adler auf dem Arm bleibt Staffage. Es fügt sich nicht zum Ganzen, auch wenn die Einzelteile nicht schlecht sind. Das Konzept der klassizistischen Ästhetik ist allerdings heutzutage auch nicht gerade in Mode.

Karikatur auf Dr. Ludwig Schorn in München, 1829/33 (c) Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

Immerhin verdankt sich dem Streit um das Tableau eine Erkenntnis: Dass der Landschaftsmaler Johann Christian Reinhart (1761-1847), Protestant, freiheitsliebender Freund Schillers und spezialisiert auf Ideallandschaften aller Arten, nicht danz zu Unrecht "vergessen" wurde, aber durchaus einige Talente hatte.

Weil er fast 50 Jahre in Rom - Sehnsuchts-Ort einiger deutscher Künstlergenerationen - verbrachte, zeigt jetzt die Neue Pinakothek die von der Hamburger Kunsthalle übernommene Retrospektive unter dem Titel "Nach Rom!", die 35 Gemälde, 40 Radierungen und 90 Zeichnungen umfasst. Der in Hof geborene Reinhart, der einige Jahre für den Herzog von Meiningen arbeitete, führte die klassische Tradition von Poussin und Lorrain ins 19. Jahrhundert weiter. Seine Spezialität war die heroische Landschaft, zum Ideal verklärt durch Staffagefiguren der Antike. Sturm oder Gewitter, Meer mit Felsküste oder Gebirge mit Wasserfall, Morgenröte oder Mondlicht - in seiner Natur-Motivkiste griff Reinhart dabei immer in die Vollen. Gemälde wie "Wanderers Sturmlied" oder "Sturmlandschaft mit Reiter" strotzen vor Dynamik und Dramatik. Aber auch arkadisch-friedliche Szenerien im herrlichen Licht des Südens konnte er, wie in "Tiberlandschaft bei Acqua Acetosa", einigen Tivoli-Ansichten und Hirten-Szenen, darstellen.

Seine Radierungen mit realen Italien-Landschaften waren Verkaufserfolge. Aber Reinhart hatte es finanziell nie leicht, zu unbedingt klassisch war sein Werk - oder zu einseitig. Eine Pension Ludwigs I. rettete ihn wirtschaftlich: Dafür sollte Reinhart des Ausblick vom Turm der Villa Malta, dem römischen Domizil des Bayern-Königs, nach allen vier Himmelsrichtungen festhalten - was er nur widerwillig tat. Doch die vier Tempera-gemälde sind mit das Beste, was der Maler schuf. Sie sollten in einem Raum der Münchner Residenz als Panorama inszeniert werden. Stattdessen landeten sie, golden gerahmt, im Museum. Für die Dauer der Ausstellung kann man die herrlichen Veduten nun fast im Idealzustand betrachten.

Am besten war Reinhart allerdings darin, Bäume zu portraitieren. Da wirkt noch die niederländische Landschaftmalerei des 17. JAhrhunderts nach. Und die berühmten Steineichen im Park der Villa Borghese erscheinen - anders als die Psyche oder die unglückselige Mutter des toten Opheltes - beseelt.

Neue Pinakothek bis zum 26. Mai 2013, täglich außer Di 10-18 Uhr, Mi bis 20 Uhr, Katalog bei Hirmer 32 Euro.

Veröffentlicht am: 20.03.2013

Über den Autor

Roberta De Righi

Roberta De Righi ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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