"Geschmackssache – Mode der 1970er Jahre" im Stadtmuseum

Polyestermaschengewirkte Staying-alive-Happyness

von Barbara Teichelmann

Geblümt: Mit dieser Kunststofftasche ging man 1973 einkaufen, Foto: Münchner Stadtmuseum

Ach, wie war das damals bunt: Eine Ausstellung im Stadtmuseum zeigt Mode der 1970er Jahre. Viele mehr aber auch nicht.

Das ist schon schön: Statt diesem kulturell betulichen „Pssst“ wird hier geplappert, was das Zeug hält. Gelacht sogar. Was daran liegt, dass hier so ziemlich jeder was zu sagen hat, zum Beispiel: „Als ich so alt war wie Du, sind die Leute wirklich so rumgelaufen.“ Tochter zurück: „Ist das ein Kleid?“ Und an der Musikstation, wo man mit Kopfhörer in die Vergangenheit reisen kann, wird mitgewippt, mitgesungen. Geküsst sogar.

Ist es der Zauber des Vergangenen, die gute alte Verklärung? Könnte gut sein, wobei - so lange sind sie ja nun auch wieder nicht her, die 70er. Wer damals klein war, kann sich dunkel erinnern, wie Mama und Papa aussahen, wer damals jung war, weiß eh Bescheid, und wer damals noch nicht da war, kann jetzt im Stadtmuseum erfahren, wie es war: buntgemustert und gutgelaunt. Das zumindest transportiert die Ausstellung "Geschmackssache – Mode der 1970er Jahre", die „mit freundlicher Unterstützung von Madame, Ludwig Beck und Konen“ entstand: ein positivistisches Panoptikum aus Mode, Magazinen, Fotografie, Interviews mit Münchner Zeitzeugen, Kuriositäten, noch mehr Mode und ein bisschen Projektarbeit.

Unbeschwert auf Plateausohlen

Einen Raum haben Schüler der Meisterschule für Mode gestaltet und das 1970er-Thema mal mehr, mal weniger kreativ umgesetzt: In der einen Ecke baumeln Modeentwürfe, in einer anderen Ecke krabbelt Teppichboden die Wand hoch und gleich daneben hängen „Flowerpower-Piktogramme“, was sind bunte Variationen von Otl Aichers Olympiasportlern. Oder die Salzteigorgie, ein Haufen Menschliches miteinander ineinander irgendwie. Der Titel: „Freie Liebe?“ Die Konzepterklärung: „Ich stelle einen Berg sich liebender Menschen dar. Diese verfließen zu einer Masse und verdeutlichen die Gefahr der ‚freien Liebe’…“ Idealisierte Vorstellungen der Liebe, jenseits von bürgerlichen Besitzansprüchen kommen wohl nicht mehr so richtig an. Sind sie schlauer geworden, oder nur vernünftiger, die Nachgeborenen? Wer weiß das schon. Was man dagegen mit Sicherheit sagen kann: Abgesehen von dieser Anmerkung aus Salzteig gibt es nichts, woran man sich reiben könnte, Stimmung und Mustermix gehen vor.

Geringelt:  Diesen Strickanzug von Cardin trug man  1970, Foto: Regina Relang

Glaubt man der Ausstellung, die im Grunde eine Revue ist, waren die 70er ein unbeschwert flockiges Jahrzehnt auf Plateausohlen. Vietnam? Fehlanzeige. RAF? Fehlanzeige. Ein Rückblick kann nur Ausschnitte bieten und hier geht es ja nun um Mode, aber das ist schon eine dicke Ladung polyestermaschengewirkter Staying-alive-Happyness. Was nicht heißt, dass die Ausstellung nicht sehenswert wäre oder keinen Spaß machte. Vor allem der lokale Bezug ist interessant, fast könnte man meinen, die 70er Jahre waren ein Münchner Phänomen. Und in diesem Zusammenhang erfährt man dann doch noch von Protesten. 1970 zum Beispiel demonstrierten engagierte Bürger auf der Leopoldstraße, auf ihren Schildern stand: „Hoch mit dem Rocksaum“. Yeah.

 

Die Ausstellung läuft noch bis zum 15. September 2013 im Stadtmuseum am St.-Jakobs-Platz 1, Öffnungszeiten: Di bis So 10 - 18 Uhr.

Veröffentlicht am: 18.04.2013

Über den Autor

Barbara Teichelmann

Redakteurin

Barbara Teichelmann ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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