Amelie von Wulffen in der Pinakothek der Moderne
Das Bild, das sie hätte malen wollen
Amelie von Wulffen. Ohne Titel, 2003, Acryl, Druck auf Papier, 82 x 123cm, DekaBank Kunstsammlung. Copyright Wulffen. Foto: Wolfgang Günzel
Bitte setzen Sie sich: auf Beckmann, van Gogh oder doch lieber Goya? Im Saal 21 der Pinakothek der Moderne hat Amelie von Wulffen (geboren 1966) eine Installation aus bemalten Schulstühlen aufgebaut, einige tragen die Selbstbildnisse berühmter Meister im jeweiligen Malstil auf Sitz oder Lehne. Von hier aus kann man die Projektion ihrer Zeichnungen "Am kühlen Tisch" betrachten, dahinter an der Wand prangen in Petersburger Hängung 24 ihrer Collagen in diversen Formaten.
„Bilder 2000-2015" ist die Präsentation dieser Künstlerin überschrieben, die an der Münchner Akademie studierte, zwischenzeitlich in den Himmel der jungen deutschen Maler-Sterne hochgeschossen wurde und seither in der künstlerischen Selbstreflexion Schutz vor zu viel Ruhm sucht. Comic-Strip-Artiges, Foto-Versatzstücke, Bildzitate und der Pinselduktus berühmter männlicher Kollegen: Amelie von Wulffen setzt Architektur-Aufnahmen zu irrealen Räumen fort, kombiniert Nah- und Fernsicht zu unmöglichen Perspektiven und nähert sich der geschauten Wirklichkeit fragend fragmentarisch an – was mitunter recht selbstreferenziell wirkt. Einer Realität, die von Kindheit und Jugend in den Siebziger Jahren geprägt ist – zwischen Alexander Solschenizyn, dem „Archipel- Gulag"-Nobelpreisträger und John Travolta, Hüftenschwinger aus „Saturday Night Fever". Beide Konterfeis tauchen hier auf. Daneben aber auch, total BRD-typisch, Eduard Zimmermann mit „Aktenzeichen XY", der von der unteren Ecke aus eine Collage in Brauntönen regiert: die Dürer-Reproduktion einer Nürnberg-Vedute, in deren Mittelgrund eine grüne Arabeske schwebt.
Überhaupt sind die Bildcollagen am spannendsten, in denen Ornamente ein Eigenleben bekommen, denn dann droht ein unerklärlich-anarchisches Element alle reflektierte Befangenheit zu übertönen. Und am freiesten wirkt eine gemalte Szene, in der ein amorphes Monster traurigen Blickes das Klavier traktiert.
Häufig findet man Insekten und tote Tiere in ihren Bildern, die morbide Komponente aller Naturkunde erklärt von Wulffen als Faszinosum. Da liegen zwei Hasen aus einem Jagdstilleben von Goya vor einer psychedelischen Farbenaureole oder ein abgetrennter Pferdekopf nimmt den Vordergrund einer ansonsten idyllischen Seelandschaft ein. Doch wenn Kurator Bernhart Schwenk davon spricht, dass wir als Betrachter „vollgestopft mit Wissen" ja oft geradezu „behindert beim Sehen" seien, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, das betreffe auch die Künstlerin. Manche der Großformate wirken, als hätte sie das Bild, das sie malen wollte, vor lauter Motiven im Kopf nicht gesehen und mit bleischweren Händen gefertigt.
Überraschend anders, weil lustig und anrührend, sind hingegen die Miniaturplastiken unterm Spinnennetz in der Ecke: Fliege, Käfer, Schmetterling schlafen hier am Boden. Und in den Gemüse-Cartoons debattieren Karotten, Pilze und eine Zwiebel, eine Kartoffel schimpft Trauben aus und eine süße Erdbeere kuschelt sich an eine dicke Birne. Soviel Sentiment gibt es bei Amelie von Wulffen sonst nirgendwo.
Pinakothek der Moderne, bis 21. Februar 2016, Di – So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr.