Kein Abbild
Bilderverbote haben in den drei großen monotheistischen Religionen eine starke Tradition. Mit Versuchen, um das Unnennbare zu kreisen, in Schrift, Symbol, konsequenter Abstraktion und Zerstörung, befasst sich die Ausstellung "Kein Abbild" in der Whitebox, verbunden mit einer Reihe von Rahmenveranstaltungen.
Die Passage im Untergeschoss der Whitebox, einen aus Mehrschichtplatten gebildeten viereckigen Tunnel, kann man auch als Weg zur Erkenntnis beschreiten. In die Seitenwände sind filigrane Muster geschnitten, durch die tagsüber das Licht in flirrenden Mustern auf den Flaneur fällt – ein Kaleidoskop, das den Körper aufzulösen scheint
.„Kontur ²“heißt die begehbare Skulptur von Benno Meuwly, die in der neuen Ausstellung in der Whitebox am meisten Aufmerksamkeit auf sich zieht. An ihrem Ende fällt der Blick auf eine Nachahmung des Turiner Grabtuchs – womöglich auch ein Versuch, ein Bild von Gott zu malen, indem man das Bild als von Gott gemalt erklärt. Keine andere Vorstellung liegt schließlich auch Ikonen zugrunde. Worauf deuten Bilder und Zeichen, was bedeuten, was verschweigen sie? Die Reise zur Erkenntnis, so viel wird klar, wird noch lange weitergehen.
„Kein Abbild“ heißt diese Präsentation, Behauptung ebenso wie Gebot, ein im wahrsten Sinne vieldeutiger Auftakt in die Mammut-Veranstaltungsreihe „Changing Views“. Sie kreist fast schon zu vielschichtig um das – mehr oder weniger konsequent eingehaltene – Bilderverbot in den drei großen monotheistischen Religionen. Die ikonischen Zeichen im Inneren eines Achtung-Schildes entfalten in der Videoinstallation von James Clay skurilles Eigenleben. Ein Songagramm des Wortes „Allah“, als Relief in Kunststoff gefräst, beschreitet den Weg der Abstraktion, um vom sinnlich wahrnehmbaren Klang eines Wortes aus auf die Ungreifbarkeit des Göttlichen zu weisen.
Youseef Titous Kalligraphien und Felix Droeses Drucke von Psalmen entfalten sinnliche Qualität, die Fotografien Florian Huths aus dem noch jungen Wallfahrtsort Medjugorie stellen Anbetung und Zerstörung durch Krieg, sakrale Bildnisse und Kommerz in harten Kontrast nebeneinander. Bildverzicht fördert Abstraktion. Die Kalligraphie ist eines ihrer Kinder, umrahmt oft von fremdartiger Kunst. Tülay Akcan etwa exerziert die uralte Tradition des Ebrus, des Mamorierens von Papier. Ugo Dossis „Orakel“ wiederum belebt die alte Übung des Glasrückens neu: Buchstabenfolgen fernab der Berechnung und Bewusstheit - der Gipfel der Unbegrifflichkeit?
Glaubt man Max Weber und Sigmund Freud, stellen die Bilderverbote der Religionen wichtige Fortschritte auf dem Weg zur Rationalisierung des Daseins oder gar in Richtung Menschwerdung dar. Ästhetik-Professor Bazon Brock allerdings sieht in den Verboten die Beschränkung des Horizonts der Zeichendeutung. Durch den Verlust der bildlichen Dimension zerreißen überlieferte Kommunikationsmuster. Aus dem Chaos aber hoffen die Bilderstürmer Deutungshoheit zu gewinnen.
Die Gewalt dahinter illustrieren die eindrucksvollsten Bilder der Ausstellung.Von Bert Praxenthaler fotografiert, halten sie die Barbarei der Taliban in Afghanistan fest. Mit der Sprengung eintausendfünfhundert Jahre alter Buddhastatuen und mit der Schändung buddhistischer Tempel versuchten die Koranschüler die Überlieferung der „Anderen“ zu zerstören. Nun künden die leeren Felsnischen noch lauter vom wüsten Land. Die Splitter der Granaten, mit denen die Taliban die kolossalen Statuen beschossen hatten, hat Praxenthaler ebenfalls fotografiert. Sie zeugen nun von der Ambivalenz jedes Bildes: Von abstrakter Ästhetik sind sie auf den ersten Blick und künden doch vom konkreten, religiös gesteuerten Zerstörungswillen.
Beitrag der whiteBOX zur Ausstellungsreihe "Changing views - 100 Jahre nach der Ausstellung Meisterwerke muhammedanischer Kunst, mit Beteiligung von Haus der Kunst, Staatliches Museum für Völkerkunde, Bayerische Staatsbibliothek, Gasteig, Bernheimer, Stadtmuseum München, bis 10.10. ,Begleitprogramm: Sonntag, 05. September, 15 Uhr:
Vortrag Dr. Isabel Grimm-Stadelmann, Byzantinistin und Ägyptologin: Grenzüberschreitungen „Ägyptische Porträtmumien als Bindeglied zwischen antiker Tafelmalerei und (früh-) christlichen Ikonen“ – Sonntag, 19. September, 12 Uhr: Vortrag Dr. Almir Ibric: „Bilder und Tätowierungen im Islam. Vom Mittel- bis ins Digitalzeitalter.“ – Mittwoch, 29. September, 19 Uhr: Vortrag Prof. Bazon Brock: „Seinen eigenen Augen nicht zu trauen ist der Beginn aller Erkenntnis. Die Bilderstürmer sind die wahren Bildergläubigen.“ – Sonntag, 03. Oktober, 18 Uhr: Leseabend mit Musik – Sonntag, 10. Oktober, 19 Uhr: Performance Doron Polak: „Red“