Verbindung zu Gott? - "Divine Connections # 2" und "Gott höchstselbst"
An Gott kommt keiner vorbei. Schon mit der Geburt beginnt die ständige Konfrontation und irgendwann muss jeder – ob er will oder nicht - sich ihm stellen. Dabei ist es wahrscheinlich nicht einmal eine Frage um Glauben oder Unglauben, sondern mehr eine Frage des Vokabulars und dessen Kontextualisierung womit die eigene Spiritualität beschrieben wird. Das Comic-Album "Gott höchstselbst" des französischen Autoren Marc-Antoine Mathieu und die Ausstellung "Divine Connections # 2" mit den Arbeiten dreier religiöser Künstler (ein Christ, ein Muslim, ein Jude) beschäftigen sich derzeit mit Gott - diesem mysteriösen sogenannten höchsten Wesen.
In seinem neuesten Album „Gott höchstselbst“ lässt der geniale Comic-Künstler Marc-Antoine Mathieu Gott auf die Erde steigen. Gott steht unter den Menschen und die schauen erst mal ziemlich blöd aus der Wäsche als plötzlich einer daher kommt und sagt er sei Gott. Gut, in der Münchner Fußgängerzone kann einem das an manchen Tagen auch passieren, aber Mathieus Gott-Inkarnation ist schon verdammt überzeugend. Trotzdem werden erst einmal Tests gemacht, wobei herausgefunden wird, dass wirklich Gott höchstselbst auf Erden weilt. Nachdem seine Existenz erst einmal erwiesen ist wird dieser Gott dann gleich einmal verklagt. Immerhin – den fiktiven Klägern ist dabei durchaus Recht zu geben – ist die Schöpfung nicht ganz so perfekt wie versprochen. Doch Gott kann nicht verurteilt werden, denn jede Argumentation für oder gegen ihn läuft auf einen toten Punkt zu: auf seine Existenz. Auch nachdem diese in „Gott höchstselbst“ einfach mal gesetzt wird - ganz un-meta, einfach nur physisch - befinden wir uns im ewigen argumentativen Patt um Existenz und Nicht-Existenz. Zu Auflösung der Zwickmühle kann paradoxerweise auch „Gott höchstselbst“ nichts beitragen außer existentialistischer Phrasen wie: „Gott ist die Einsamkeit der Menschen“. Womit er sich selbst ad absurdum führt. Oder Sinnsprüche wie: „Die Unendlichkeit braucht weder Ursprung noch Ende der Welt. Sie ist, das ist Alles.“ Womit Gott – seine Existenz als Axiom mal angenommen – sich selbst als unendliches Wesen meint und damit für den Menschen genauso unfassbar ist wie die Unendlichkeit selbst. Aber egal ob letztlich existent oder nicht: die Lektüre dieses Comic-Bandes sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen.
In einer Lektürepause bietet sich passend dazu die Ausstellung "Divine Connections # 2" an. Diese ist bis zum 1. Oktober (täglich 9.00 bis 19.00 Uhr) in der Münchner Theatinerkirche zu sehen. Ausgestellt werden drei Künstler, die sich über ihre Arbeit zumindest eine Ahnung der Unendlichkeit und ein ungefähres Gespür für ihr Verhältnis zu Gott erkämpfen wollen. Sinnigerweise sind ihre Werke am Ende weniger Auseinandersetzungen mit Gott selbst, als vielmehr mit den leichter fassbaren, weil menschlich hervorgebrachten, Komplexen Glaubensidentität und Glaubensrhetorik. Der Christ Johannes Gees, hat in einer Klanginstallation den Prolog des Johannes Evageliums vertont. Er weist damit auf eine Gemeinsamkeit der drei abrahamitischen Religionen, auf deren schriftliche Fundierung, hin: „Im Anfang war das Wort“.
Damir Nikšić liefert mit seiner Videoarbeit „If I Wasn`t Muslim“ ein klares Statement zur eigenen Erfahrung mit seiner religiösen Identität ab - jeder Auszug aus seinem parodistischen Musikvideo würde den Text selektiv verfälschen. In seinem Song geht es vor allem um die Artikulation von Differenzen welche, in der religiösen Selbstbeschreibung und der Kategorisierung von außen, scheinbar zwangsläufig stattfindet.
Schließlich ist da noch „Dysonons Poznania“ von Noam Braslavsky, der per Definition Jude ist und auch in Israel aufwuchs, sich selbst aber lieber als Atheisten bezeichnet. Sein Video beginnt als biederes Gesangsstückchen in einem Hallenbad, wird dann aber von Sekunde zu Sekunde immer mehr zu einem surrealen Unterwasseralbtraum. Ein Freund hat Braslavsky von der Synygoge in Posen erzählt, welche von den Nationalsozialisten 1941 zu einem Schwimmbad umfunktioniert wurde. Bei seiner Recherche fand Braslavsky heraus, dass in der Synagoge auch seine Familie gebetet hat und der Großvater beschnitten wurde. Diese Konfrontation war eine Initialzündung für den Künstler, sich auch den Wurzeln seines Glaubens zu stellen. In seinem Video, welches in Posen gedreht wurde, kombiniert er Symbole des jüdischen Glaubens und Partikel seiner Selbstwahrnehmung zu einer bildgewaltigen Wehklage.
Die Ausstellung befindet sich im rechten Seitenflügel der Theatinerkirche und ist aufgrund ihrer geringen Größe leicht zu übersehen. Endgültig erleuchtend ist keines der Werke, allesamt haben sie aber die Qualität Fragen aufzuwerfen. Die dringlichste ist sicherlich: warum werden im religiösen Diskurs vor allem die Unterschiede und Differenzen zwischen den Religionen aber nicht deren offensichtlichen Gemeinsamkeiten betont? Wer zufällig in der Nähe der Theatinerkirche ist, sollte sich "Divine Connections # 2" nicht entgehen lassen.
„Gott höchstselbst“ von Marc-Antoine Mathieu ist erschienen bei Reprodukt und kostet 20 EUR.
Hier geht’s zum Programm des Ander Art Festivals,in dessen Rahmen Divine Connections # 2 zu sehen ist.