Nach der Kolonialzeit: Fotografien aus Afrika von Mirella Ricciardi

von Achim Manthey

Somali Cattle Herder in Turban (Foto u. Copyright: Mirella Ricciardi, courtesy Bernheimer Fine Art Photography)

In der Ausstellung "Vanishing Africa" mit Bildern von Mirella Ricchiardi zeigt die Bernheimer Fine Art Photography in München, wie sich Ende der 1960er Jahre die Sichtweise auf die Menschen in Afrika verändert hat.

Der ältere Massai trägt einen ganz besonderen Schmuck. Die Ohrlappen sind durchbohrt, die Löcher durch schwere Schmuckstüche so geweitet, dass man die Landschaft dahinter durch sie sehen kann. Ein Zeichen besonderen Stolzes und hoher Ehre. Bei den Frauen sind es die eng anliegenden, aufeinandergeschichteten Halsketten, die den Hals strecken als Zeichen besonderer Schönheit.

Fotografien aus Afrika. Sehr lange Zeit, bis in die 1960er Jahre hinein, waren sie, sofern es nicht ohnehin um Kriegsberichterstattung ging, geprägt vom Kolonialdenken. "Neger" als schmückendes Beiwerk, als Diener, Sklaven weißer Kolonialherren. Der Sarottimohr als Exotikum, Bilder spitzbrüstiger junger Mädchen im Kral als Stammtischreiz. Nur wenig wurde gezeigt von der Lebenssituation der Menschen dort. Mit den Fotografien Mirella Riccardis änderte sich diese Sichtweisen grundlegend. Auf einmal wurden Menschen so, wie sie sind und leben, dargestellt. Und die Aufnahmen dokumentieren zugleich die wohl letzten Momente des von der westlichen Welt noch unberührten Lebens der ostafrikanischen Stämme wie  der Bajun, der Gala Boran, der Massai und anderer.

Young Turkana Woman with giant Tilapia (GFoto u. Copyright: Mirella Ricciardi, courtesy Bernheimer Fine Art Photography)

Mirella Ricciandi wird 1931 in Kenia als Tochter einer französischen Mutter und eines italienischen Vaters geboren, wächst am Naivasha-See in Ostafrika auf. Sie lernt den italienischen Abenteurer Lorenzo Ricciardi kennen, der sie zur Fotografie bringt und als Fotografin für den Film, den er in Ostafrika gerade drehte, anheuerte. Mit 25 heiratet sie ihn und bekommt zwei Töchter. Sie lebt heute abwechselnd in Afrika und in London.

Es ist also die eigene Welt der Fotografin, die in den Aufnahmen abgebildet wird. Das merkt man ihnen an. 1967/68 bereiste sie ihre afrikanische Heimat, um Land und Leute, die von der Zivilisation noch weitestgehend unberührt waren, zu dokumentieren. Entstanden sind sehenswerte Fotografien, die die einfache Schönheit der Menschen und ihre traditionellen Lebensweisen zeigen. Portraits starker, stolzer Männer sind zu sehen, stolze Frauen, die ihre Waren auf dem Kopf tragen, Kinder, die vor dem Kilimanscharo im Hintergrund eine Vieherde hüten, kalkweiß bemalte Samburu-Krieger, Massai-Krieger mit Löwenkopfschmuck, aber auch Kühe im Rauch der Kochstellen oder Kamelherden auf ihrem Weg durch die Wüste. Die einfühlsame Darstellung der Menschen vermeidet jede Überhöhung, wie sie später in den im Vergleich aufdringlich scheinenden Massai-Bildern Leni Riefenstahls zu finden war. Geradezu liebevoll und zurückhaltend begegnet die Fotografin ihren Modellen. Als 1971 Mirella Ricciardis erstes Buch "Vanishing Africa" erschien, war es eine Sensation. Vier weitere Afrika-Bücher folgten.

Die in der Ausstellung gezeigten Bilder, die gemeinsam mit Amina Ricciardi, der Tochter der Fotografin, ausgewählt wurden, entführen in eine lang vergangene Zeit und geben Einblick in die Welt Ostafrikas, wie sie damals war und heute nicht mehr ist. Einige Aufnahmen sind erstmals seit dem Erscheinen des Buches 1971 als hochwertige Fotoabzüge zu sehen. Bei anderen ist das gar nicht mehr möglich, weil ein Teil der Negative verschollen ist. Ergänzt wird die Ausstellung im Eingangsbereich zur Galerie durch eine Wand voller Erinnerungsfotos, Zeitungsauschnitte und Ausstellungsankündigungen, die einen Einblick geben in das Leben und Schaffen einer bemerkenswerten Frau.

Bis zum 6. August bei Bernheimer Fine Art Photography, Brienner Str. 7, 1. Stock, in München, Di-Fr. 10-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr. Freier Eintritt.

 

 

 

Veröffentlicht am: 13.07.2011

Audioausgabe des Artikels
Hören Sie sich hier die Audioausgabe des Artikels an, gesprochen von Christian Weiß:

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