Von vorn, von hinten, von der Seite: Starportraits von Anton Corbijn in München

von Achim Manthey

Die Galeriestraße hat auch irgendwie damit zu tun (Foto: Achim Manthey)

In der Ausstellung "inwards and onwards" zeigt der Schirmer/Mosel Showroom nicht mehr ganz neue, aber teilweise bisher unveröffentlichte Starportraits des Fotografen Anton Corbijn.

Ein Gesicht wie eine zerklüftete Vulkanlandschaft. Tom Waits hält den Kopf leicht schief, die Augen skeptisch, der Mund geschlossen, die Miene nachdenklich. 35 Jahre Musikerleben spiegeln sich in einer Fotografie. Mick Jagger gibt sich in der 1996 in Glasgow entstandenen Aufnahme als Transvestit. James Newell Osterberg kauert auf einer Mauer, auf dem Sprung. Als Iggy Pop oder "Goldfather of Punk" ist er besser bekannt. David Byrone versinkt in einem schweren Ledersessel. Herbert Grönemayer ist im Halbportrait zu sehen, sein Querkopf wirft einen sperrigen Schatten an die Wand.

Es gibt kaum eine Größe aus dem Musikgeschäft, die der 56-jährige, niederländische Fotograf und Regisseur Anton Corbijn nicht vor die Kamera bekommen hätte. Die Stones ebenso wie Frank Sinatra, Bryan Adams, Luciano Pavarotti oder Jon Bon Jovi. Mit U2 und Depeche Mode ist der Fotograf besonders verbunden. Viele CD-Cover stammen von ihm, bei zahlreichen Musik-Videos führte er Regie, für Depeche Mode drehte der die Konzertfilme "Devotional" (1993) und "One Night in Paris" (2001). Kino natürlich auch, zuletzt "The American" mit George Clooney.

Die in der Ausstellung gezeigte Fotografien dokumentieren vor allem eines: die Affinität der Kreativen zueinander. Man kennt sich, man mag sich, man ist sich nah. Diese Nähe ist es, die es Corbijn ermöglicht, sich den Portraitierten auf gleicher Augenhöhe, feinfühlig und mit Ironie zu nähern. Jon Bon Jovi im Spiegelbild von vorn und hinten, wie er sich an eine Brüstung lehnt - eine komponierte optische Täuschung. Joni Mitchell am Strand von Santa Monica, die Baywatch-Station im Hintergrund. J.J. Cale breitbeinig, dicke Sonnenbrille auf, versunken in den Sound seiner Gitarre. Aber es sind nicht nur die Größen des Musikgeschäfts, sondern auch bildende und darstellende Künstler. Eine Aufnahme von Hilla und Bernd Becher vor einer Ziegelmauer weist auf deren fotografisches Schaffen hin. Das Hinterkopf-Portrait von Gerhard Richter ironisiert, weil es ihn bei der versunkenen Betrachtung eines eigenen Werks abbildet. Die Aufnahmen zeigen eine sehr persönliche und eigenwillige Sicht des Fotografen auf die abgelichteten Personen. Es sind Starportraits ohne Lack und Glamour.

Wenn ein Buchverlag, der durch hochwertige Bildbände bekannt ist, einen Showroom betreibt, in dem er von ihm verlegte Künstler ausstellt, ist die Absicht offenbar. Das muss, wie in diesem Fall, nicht negativ sein, denn die teils großformatigen Aufnahmen in der Ausstellung vermitteln mehr, als ein Bildband es kann.

Bis zum 3. September 2011 im Showroom von Schirmer/Mosel, Galeriestraße 2 in München, Mo.-Fr. 12-19 Uhr, Sa. 12-15 Uhr. Eintritt frei. Das Buch "inwards and onwards" ist für 29,80 erhältlich.

Ein Nachsatz, liebe Leserin, lieber Leser: Auch zu diesem Ausstellungsbericht hätten wir Ihnen gern Bilder des Künstlers gezeigt, um Ihnen einen optischen Eindruck zu vermitteln. Der Verlag hat uns auf Anfrage auch zwei Bilder, die für Ausstellungsbesprechungen von Anton Corbijn  freigegeben waren, zur Verfügung gestellt. Allerdings wurde die Verwendung der Fotos an Bedingungen geknüpft, die einen gravierenden Eingriff in unsere redaktionelle Freiheit bedeutet hätten. Im Interesse unserer Glaubwürdigkeit wollten wir uns darauf nicht einlassen. Wir verzichten auf die Verwendung der Bilder und bitten um Verständnis. (ama)

Veröffentlicht am: 05.08.2011

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stefan
05.08.2011 16:51 Uhr

Der Text reicht aus. Wer die Bilder sehen will kann in den Showroonm gehen. Ich finde es sehr gut, wenn Schirmer Mosel nicht mit den wertvollen Bildern Anton Corbijns um sich wirft. Eine gute Massnahme gegen die Bilderflut und die Entwertung der Fotografie durch kostenlosen Content.

Kulturvollzug
06.08.2011 00:35 Uhr

Das, lieber Stefan, mag für die gelten, die den besprochenen Fotografen kennen. Das sind aber nicht alle. Und da braucht es den optischen Anreiz. In diesem Fall haben halt die Bedingungen nicht gepasst. Wir denken im Übrigen, dass wir durch unsere Berichte die Fotografie nicht entwerten, sondern fördern. Dass wir da nicht so verkehrt liegen, zeigt die Resonanz. Beste Grüße, ama

Stefan
07.08.2011 10:33 Uhr

Lieber Achim, da hast Du mich falsch verstanden. Ich meinte die Texte sind so gut, dass sie Anreiz genug bieten sich auf den Weg zu machen und die Bilder im Showroom anzusehen. Die Fotografie wird entwertet wenn jeder seine Fotos verschenkt (verschenken muss). Nicht die Texte durch zusätzliche Fotos. Du weisst selbst, welchen Unterschied es macht eine Anhäufung von Pixeln bei 72dpi oder einen guten Abzug unter Galeriebedingungen anzusehen.

Gruss Stefan

elvira
25.08.2011 23:30 Uhr

Hab mir die Ausstellung heut angeschaut und was ich gesehen habe, hat mir sehr gut gefallen... ein guter Tip... werde mich da sicher wieder mal "hinverlaufen". Auch die Bücher, die man dort findet, sind es wert, sich umzusehen.