Die Neue Sammlung in München präsentiert Glasdesign - darunter alte Bekannte

von Achim Manthey

Hans Theo Baumann, Glasgefäße, 1960er Jahre, Gral-Glashütte (Foto: Die Neue Sammlung/A.Laurenzo)

In der Ausstellung "Gralglas. 1930 - 1981. Ein Beispiel des deutschen Designs zeigt die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne einen Überblick über 50 Jahre Glasdesign.

Der Cognacschwenker mit eingravierten, nach Harfe und Flöte tanzenden, schmalen Frauenkörpern oder das Likörgläschen mit dem Decor "Zugvogel" waren Kult in den 1950/60er Jahren und - die Älteren werden sich erinnern - aus keinem bürgerlichen Haushalt wegzudenken. Auch farbige Glasvasen gehörten dazu oder gläserne Tierfiguren, die ihren Platz in den Fächern der Schrankwand fanden. Gut möglich, dass das, was da dem täglichen Gebrauch oder der Zierde diente, aus der Glashütte Gralglas stammte.

Ungeschickt war es nicht von Karl Seyfang, sich für seine 1918 im schwäbischen Göppingen gegründete Kunstwerkstatt mit deren Spezialisierung auf die Glasveredelung 1930 die Bezeichnung Gral zu sichern. Auch wenn die Herkunft des Begriffs bis heute nicht eindeutig geklärt ist, bezeichnet er den Quellen zufolge doch Gefäße, Schüsseln, Schalen. Über 50 Jahre lang stand die Glashütte Gralglas für innovatives Glasdesign. Zunächst wurden Rohgläser fremder Hersteller zumeist aus Böhmen und Schlesien durch Schliffe und Gravouren veredelt. Berühmt wurde die Kelchglasgarnitur A 50 nach Entwürfen von Karl Seyfang und Josef Stadler aus dem Jahr 1922. Als nach dem 2. Weltkrieg die Bezugsquellen für das Rohglas versiegt waren, baute das Werk in Göppingen  einen Glasschmelzofen und begann die eigene Glasproduktion, die mit dem Bau einer vollständigen Glashütte 1950 nach Dürnau verlegt wurde. Das Unternehmen spezialisierte sich auf die Produktion von Gebrauchsgläsern und hochwertigen Geschenkartikeln. Andere Glashütten wurden übernommen und wieder abgestoßen in den folgenden Jahrzehnten. Glücklich verliefen die Expansionsbemühungen letztlich alle nicht. Die Einführung des Bleiglases machte Ender der 1970er Jahre nochmals Modernisierungen erforderlich. 1982 kam der Konkurs. Sanierungsbemühungen scheiterten, 1995 war dann endgültig Schluss.

Heinrich Löffelhardt, Apothekerflaschen, um 1950, Gral-Glas-Werkstätten (Foto: Die Neue Sammlung/A. Laurenzo)

Die Münchner Ausstellung zeigt anhand von Gebrauchs- und Ziergefäßen, Vasen, Schalen, Krügen, Flaschen, Karaffen und Trinkgläserservices die Entwicklung modernen Glasdesigns im jeweiligen Zeitgeschmack. Schon in der 1930er Jahren entwickelte sich das Unternehmen mit Unterstützung des Glasdesigners Wilhelm von Eiff und seiner Schüler  von der nahen Kunstgewerbeschule Stuttgart zu einer der fortschrittlichsten Veredelungsbetriebe für Schliff und Gravour. Ganz den Idealen des Deutschen Werkbundes verbunden und maßgeblich beeinflusst von der klaren, schnörkellosen Modernität von Design, die aus Skandinavien herüberschwappte, standen die Produkte mit ihrer hohen Qualität, der Reinheit der verwendeten Farben, der klaren Formgebung und nicht zuletzt ihrer Funktionalität exemplarisch für die "Gute Form". International bekannte Designer und Glaspezialisten waren für Gral tätig. Josef Stadler schon in den frühen 1920er Jahren bis in die 1950er, Konrad Habermeier, von dem diverse glaskünstlerische Unikate zu sehen sind, und Hans Theo Baumann waren darunter, auch der bekannte Muraneser Glaskünstler Livio Seguso mit seinen gläsernen Tierskulpturen. Klassiker allesamt.

Ergänzt wird die Ausstellung durch Entwurfszeichnungen Hans Theo Baumanns, an denen zu sehen ist, wie die Designobjekte von den ersten hingeworfenenen Skizzen bis zum fertigen Bauplan für die Handwerker durchgestylt wurden. Produktfotografien, Prospekte und Gipsmodelle kommen dazu. Dass das alles auch noch relativ preiswert war, zeigt ein Lieferschein aus dem Jahr 1953, der Preise zwischen 4 und 95 Mark ausweist.

Da steht der Betrachter nun oben in der Rotunde der Pinakothek der Moderne und wird angeweht vom Geist des Bürgertums der Nachkriegszeit. Die Ausstellung bewahrt, weckt Erinnerung. Ein Bogen zum Heute mag sich nicht einstellen.

Bis zum 18. September 2011 in der Neuen Sammlung, The International Design Museum Munich, in der Pinakothek der Moderne, täglich außer Mo. 10-18 Uhr, Do. 10-20 Uhr.

Veröffentlicht am: 25.08.2011

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