Eindrücke vom 31. Internationalen Filmhochschul-Festival: Liebe ist nicht nur ein Wort, aber noch immer ein Spiel
Der erste Festival-Tag ist rum und die gute Nachricht lautet: Grundsätzlich ist Liebe möglich. Die schlechte Nachricht: Meist anders, als wir es gerne hätten. Auffallend viele Kurzfilme beschäftigen sich mit dem, was zwischen zwei Menschen passieren kann. Kein Wunder, das geht uns schließlich alle an.
Raymond ist Sänger und Dart-Champion und schon ziemlich lange ziemlich unglücklich in seine hübsche, ponyfransige Bandkollegin, die Schlagzeugerin Kelly, verliebt. Die wiederum hat sich in Fozzie, den Gitarristen und besten Freund von Raymond, verschaut. Und weil der, also Fozzie, ein richtig Netter ist und niemals seinem besten Freund die nichtexistente Freundin streitig machen würde, lässt er seine Gefühle für Kelly erst gar nicht zu. So stehen die drei Abend für Abend auf der Bühne: Raymond strahlt Kelly an und die sieht es nicht; Kelly himmelt Fozzie an und der schaut weg. Und auf dem Heimweg sind alle drei ein bisschen unglücklich und so könnte es ewig weitergehen.
Aber irgendjemand kann diese verfahrene Dreieckssituation offenbar nicht mehr länger ertragen und so bekommt Raymond ein geheimnisvolles Päckchen mit Dartpfeilen zugespielt. Was jetzt seinen Lauf nimmt, ist ganz wunderbar komisch und tragisch zugleich, denn mit Hilfe der Pfeile kann man für die Dauer von ein paar Stunden jemanden in sich verliebt machen – was Raymond nun vorhat, ist klar. Doch sein Plan geht nicht auf, bzw. geht anders auf als geplant. „God of Love“ des amerikanischen Regisseurs Luke Matheny hat die Goldmedaille bei den Studenten-Oscars gewonnen und das zu Recht. Dieser formal gelungene 19-minütige Schwarz-Weiß-Film ist eine witzige und kluge Mischung aus einem cleveren Drehbuch, verspielten Ideen und wunderschönen filmischen Details. Zudem ist Luke Matheny sein eigener Hauptdarsteller und auch das macht er richtig gut – fast schon ein bisschen zum Fürchten, soviel Talent auf einem Haufen.
Dass in jedem tragischen Konflikt immer auch ein gerüttelt Maß an verzweifelter Komik steckt, diese absurde Mechanik des menschlichen Daseins macht Matheny auf subtil-humorvolle Art zum Thema seines Films. Dazu kommt die beruhigende Einsicht, dass sich bestimmte Bereiche des Lebens unserer Kontrolle entziehen: die Liebe zum Beispiel.
Holt mich hier raus, ich bin ein Teenie
Auch der 18-jährige Münchner Paul hat unter der grausam willkürlichen Herrschaft des Schicksals zu leiden – oder ist es doch nur der banale Zufall, der ihn in, zugegeben, geballter Form heimsucht? Die Eltern seiner blonden Freundin sind verreist und also wollen sich die zwei heute Abend gegenseitig entjungfern. Paul hat sich eben erst für das richtige Outfit entschieden, da klingelt das Telefon: „…es soll ja schließlich perfekt werden, also vergiss bitte nicht den Sekt Liebling, der so schön geprickelt hat.“
Also flitzt der Liebling los, um den vergessenen Sekt an der Tankstelle zu besorgen. Natürlich hat die schon geschlossen und der gruslige Tankwart null Verständnis für präkoital panische Jungs. Tja, und dann steckt Paul plötzlich in einem dieser verkäuferlosen Rent-a-DVD-Läden fest. Dort steht zwar ein Getränkeautomat, der unter anderem auch Sekt in Flaschen anbietet, aber der Automat klemmt. Und die Tür von dem DVD-Laden klemmt ebenfalls, aber dafür läuft die Heizung auf Hochtouren, weshalb der 15-minütige-Film den Titel "Schwitzkasten" trägt. Der Regisseur Christian Ricken kommt aus Frankfurt und ist Absolvent der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in München.
Teenie-Klamotten rund ums erste Mal, in denen nichts klappt und der Rest schief läuft, kann man mögen oder nicht, und nur weil ein Gag platt ist, muss er noch lange nicht schlecht sein – aber diesem Film geht es wie seinem Hauptdarsteller: Er steckt fest und schwitzt, und zwar in der Klischeebox. Warum trägt die Freundin ein rotes Negligé, nennt ihren Freund Liebling und verlangt nach Bauchnabel-Prickelsekt? Wenn einem egal ist, ob Paul in dieser Nacht noch zu seiner Freundin kommt, weil die als Figur weder glaubwürdig, süß noch sexy ist, sondern in ihrer abziehbildartigen Erwartbarkeit einfach nur dämlich, dann ist der Grund, warum man mit Paul leiden und schwitzen sollte, nicht gegeben und der ganze Klamauk nichts weiter als Klamauk.
Auch Knetfiguren haben Gefühle
Ihr erstes Mal haben Caroline und Rasmus schon lange hinter sich. Vor sieben Jahren sind sie zusammengezogen, haben es sich eingerichtet miteinander. Die Liebe ist zwar noch da, aber das Begehren der Gewohnheit gewichen, das klassische Beziehungsalltagsdieluftistrausphänomen. Caroline steht im BH vor dem Spiegel und untersucht ihre Brüste. „Sind die kleiner geworden?“, fragt sie ihren Mann, der mit dem Rücken zu ihr und am Computer sitzt. „Ist doch egal,“ sagt der, „wir müssen jetzt los.“
Caroline und Rasmus sind zwei Knetfiguren, die seit vier Monaten keinen Sex mehr hatten, weshalb Rasmus einen Swingerclub besuchen möchte. Um die Glut wieder anzufachen und wohl auch, weil er so erlaubterweise andere Frauen vögeln kann. Caroline ist mäßig begeistert, Rasmus hingegen kann es kaum erwarten, sich ins Vergnügen zu stürzen und geht schon mal voraus. Mit einem gekonnten „wupps“ schwingt die Dame an der Theke des Swingerclubs ihren Busen auf den Tresen und Rasmus fallen fast die Kugelaugen aus dem Knetkopf.
„Venus“ ist ein Animationsfilm des dänischen Regisseurs Tor Fruergaard, der die Geschichte eines Paares in Sexnöten mit viel Humor und sehr liebevoll erzählt. Ins symbolisch Knetgummihafte entrückt kann er Szenen zeigen, die mit echten Darstellern so nicht möglich wären, weil es eben einen Riesenunterschied macht, ob man nacktes Fleisch zeigt, oder einen erigierten Knetpenis. Auch wenn der Besuch im Swingerclub nicht so verläuft wie gedacht, am Ende ist Caroline wieder mit ihrem Busen zufrieden und beide um eine Erfahrung reicher.