Ein „Haus der Deutschen Kunst“ - vor 75 Jahren
Als Hitlers Hammer brach - Wechselvolle Geschichte am Englischen Garten
Was seine Vorgänger auf den Weg gebracht hatten, interessierte ihn bekanntlich nicht. Obwohl nach dem Brand des Glaspalastes ein Wettbewerb für einen neuen Ausstellungsbau lief, beauftragte Hitler bald nach seiner „Machtergreifung“ den Münchner Baumeister und NSDAP-Stadtrat Paul Ludwig Troost mit der Planung für ein „Haus der Deutschen Kunst“.
Schon am 15. Oktober 1933 fand die Grundsteinlegung statt. Dabei schlug der Führer in seiner Begeisterung über den ersten Repräsentationsbau des Dritten Reiches so kräftig zu, dass der eigens aus Silber gefertigte Hammer entzweibrach. Noch bombastischer eröffnete Hitler am 18. Juli 1937 seinen Wunschtempel als „das schönste Ausstellungsgebäude der Welt“ mit der „Großen Deutschen Kunstausstellung“, die dann noch acht Mal zusammengetragen wurde.
Das 75. Jubiläum gibt derzeit Anlass zu einer Reihe von retrospektiven Veranstaltungen, wobei insbesondere die Ausstellung „Geschichten im Konflikt“ die sonderbaren Begleitumstände der damaligen Eröffnungszeremonie dokumentiert. (Darüber und auch über die zu gleicher Zeit von NS-Propagandaminister Goebbels hergerichtete Schmäh-Schau „Entartete Kunst“ hat Kulturvollzug schon berichtet).
Auf Kosten des Südrandes des Englischen Gartens – „irgendwelche Stellungnahmen“ fand die Bayerische Schlösserverwaltung angesichts der neuen Machtverhältnisse „nicht am Platz“ – rammte der vom letzten Bayernkönig zum Professor ernannte Architekt Troost einen griechisch angehauchten Tempel mit einer 175 Meter mächtigen Straßenfront und 21 kalten Säulen aus Kalkstein auf Betonpfähle. Nach seinem Tod im Februar 1934 gestaltete Witwe Gerdy, die mit ihrem Man zusammen Ozeandampfer eingerichtet hatte, das Interieur - im Gegensatz zum schmucklosen Äußeren nicht ohne Luxus, wie Sockelwänden aus gelbem Marmor, Mosaikkassettendecken und einem goldverkleideten Restaurant mit Terrasse, wo auch getanzt werden durfte.
Der Stil wurde als „germanische Tektonik“ das Vorbild für viele NS-Staatsbauten. Im Münchner Volksmund bekam der gigantische Neubau die Spottnamen „Palazzo Kitschi“ oder – der Säulen wegen - „Weißwursttempel“. Das nötige Geld, über zehn Millionen Reichsmark, sammelte der Bankier August von Finck bei seinesgleichen, von Bosch bis Siemens. Die Spender wurden auf einer Steintafel verewigt, die seit wenigen Jahren wieder öffentlich gezeigt wird, „ein Who-is-Who der deutschen Wirtschaft und Industrie“, so die Hausarchivarin Sabine Brantl.
An den beiden Tagen vor der Eröffnung bewegte sich, auf Hitlers ausdrücklichen Wunsch hin, ein 3000 Meter langer Festzug durch die geschmückte Stadt, der alle früheren Pomp-Prozessionen weit in den Schatten stellte. Tausende von Komparsen ausgewählt „arischen Typs“ und etwa 5000 Objekte sollten „2000 Jahre deutsche Kultur“ symbolisieren, von den alten Germanen im Wikingerschiff bis zu den „alten Kämpfern“ in voller Montur.
Von vornherein war das Haus ein zentraler Ort der nationalsozialistischen Propaganda. Kübel voll Hass schüttete der ehemalige Postkartenmaler beim Festakt auf jene Künstler, die „die heutigen Gestalten unseres Volkes nur als verkommene Kretins sehen, die grundsätzlich die Wiesen blau, den Himmel grün, die Wolken schwefelgelb usw. empfinden oder, wie sie vielleicht sagen, erleben.“
Während viele Kunstfreunde in der Hofgartengalerie Abscheu heuchelnd Abschied nahmen von der wahren, aber nun verfemten Kunst, protzte schräg gegenüber die offizielle Nazikunst. Vorneweg Bildnisse und Büsten des „Führers“ und seines Stellvertreters Rudolf Hess sowie etliche in Öl veredelte Gauleiter. Naturalistisch nackte Maiden offenbarten Glaube und Schönheit im Blondhaar und Schamhaar. Arbeiter reckten die Fäuste, Bauern pflügten die Scholle.
Drei Jahre später marschierten die gemalten, gezeichneten oder gemeißelten Helden des Krieges in die heiligen Hallen der Kunst ein. An der Auswahl, verantwortet vom Aktmaler Adolf Ziegler und dem „Reichsbildberichterstatter“ Heinrich Hoffmann, soll sich Hitler selbst mehrmals als Kunstsachverständiger beteiligt und viele der eingereichten Arbeiten „entfernt“ haben. Sein späterer Oberbaumeister Albert Speer meinte, dieser Kunstpalast werde, wie die Monumente der Antike, dereinst noch als Ruine den Nationalsozialismus verherrlichen.
Es kam aber ganz anders: Im Gegensatz zu den repräsentativen Bauten der Nachbarschaft blieb das grün getarnte „Haus der Deutschen Kunst“ im Krieg vom Schicksal verschont, zur Ruine zu werden. Vielmehr konnte die Immobilie bald wieder genutzt werden, etwa für Modenschauen, Jazzkonzerte, eine Exportschau, die erste internationale Kinderbuchausstellung. Und vor allem als Ausweichquartier für die Bilder der beiden zerstörten Pinakotheken. Nachdem das weitläufige Bauwerk den Amerikanern nicht mehr als Basketballhalle und Offiziersmesse genügte, wurde es 1949 vom Erben, dem Kultusministerium, „der Künstlerschaft zur Verfügung gestellt“.
Fünf Gruppen, alle Richtungen von der („königlich-privilegierten“) Tradition bis zur Avantgarde vertretend, ließen seither alljährlich die zeitgenössische Kunst in der Bundesrepublik und Berlin Revue passieren im „Haus der Kunst“, wie es nunmehr hieß. Größeren Publikumserfolg hatten bis 1974 die Faschingsbälle in den von Künstlern bizarr verfremdeten Sälen und die von der Ausstellungsleitung arrangierten Sonderausstellungen. Da fehlte keiner der ganz Großen. Die Goldschätze des Tutanchamun bewunderten 652 700, die Retrospektive „Entartete Kunst“ 70 000 Besucher.
Unter dem legendären Direktor Peter A. Ade entwickelte sich die ungeliebte Hinterlassenschaft, ohne die deutsche Kunst zu vernachlässigen, zu einem attraktiven Zentrum der Weltkunst. Bald schon waren die Forderungen nach Abbruch verstummt. Längst haben eine vor die Säulen gepflanzte Baumreihe, ein riesiges Blumenbouquet auf dem Flachdach sowie natürliche Patina und ungeniert vorgespannte, auch mal kommerzielle Transparente (längere Zeit schwebten bunte Luftballons über der Fassade) dem Vorzeigebau der Nazi-Architektur dessen Monstrosität gemildert.
Längst auch wird die Vergangenheit nicht mehr versteckt, sie dient seit 2003 als Dokumentation zur „Geschichte von Architektur und bildender Kunst im Dritten Reich“. Der amerikanische Künstler Paul McCarthy bezog NS-Relikte mit ein, als er das Haus im Sommer 2005 in einen Erlebnispark verwandelte. Vor allem ist es die immer aktuelle, oft avantgardistische, von einem Fördererkreis getragenen „Bespielung“, die das Münchner Haus der Kunst heute zu einem einzigartigen Anziehungspunkt macht. Die Palette reicht vom Theaterprogramm über die „Kunst nach Feierabend“ mit Snacks und Drinks bis zum Symposium, beispielsweise über „gebaute Ideologie“ – wie sie gerade das umstrittenste Haus an der Prinzregentenstraße aller Welt vor Augen führt.
Doch auch dieser gewaltige Betonbunker ist von der Zeit gezeichnet. Die Dächer sind undicht, die Technik überholt, der Brandschutz mangelhaft. Noch im Herbst soll der Landtag über die Kosten für eine Generalsanierung (etwa 58 Millionen Euro) entscheiden. Zwei Jahre werden die Arbeiten wohl dauern. Trotzdem aber möchte man das Haus weiter bespielen. Die NS-Vergangenheit soll jedenfalls nicht wieder ausgespart bleiben, auch der einstige große „Ehrensaal“ ist jetzt mit Kunst bestückt..
Karl Stankiewitz